Mit den Jahren ist Harald Martenstein immer stärker geworden, um die Hüften herum, versteht sich. Für die Nicht-Westberliner muss man Martenstein erklären: Er veröffentlicht im Westberliner-Provinzblatt "Tagesspiegel" sonntäglich eine Kolumne. Und da der "Tagesspiegel" sich für bedeutend hält, bedeutelt Martenstein mit. Na und, wird der Hamburger oder Münchner fragen, warum geht mich das was an? Weil Martenstein der ideale Gesamt-Kolumnist einer provinziellen deutschen Medienlandschaft ist, in der einer vom anderen abschreibt, einer den anderen auf den selben Veranstaltungen trifft und alle, wirklich fast alle, mit einer einzigen gemeinsamen Meinung auskommen, die sie für die ihre halten. Dieser Proto-Martenstein versteht die Linken nicht, weil die vorgeblich ein "großes Verständnis für die politischen Positionen von Wladimir Putin zeigen".

Das ist das Hobby deutscher Kolumnisten: Sie bauen sich einen Pappkameraden auf, nehmen dann ihren Laptop und schlagen kräftig auf ihn ein: Nimm dies, linker Schurke, rufen sie, streichen sich über die geföhnten Haare, deren Länge bei Martenstein darauf hindeuten soll, dass er mal total alternativ war, um nach diesem kräftezehrenden Akt erschöpft ins gemachte Bett zurück zu fallen. "Ich verstehe euch nicht", schreibt der Tagesspiegel-Dichter. Schon, dass Martenstein die Linken duzt, weist ihn als Kenner der Szene aus: Du, Linker, hör mal: Was wäre, wenn morgen die Österreicher Süd-Tirol besetzten? So repetiert er eine Frage zum Krim-Komplex, die vorher nur 30 andere Kolumnisten aufgeworfen haben. Wohl wissend, dass es ungleich schwierigere Fragen wären, wenn man die Begriffs-Paare Flamen-Wallonen, Schottland-England oder Katalonien-Spanien genutzt hätte. Vom mafiösen Kosovo ganz zu schweigen.

Nach dieser garantiert intellektuellen Einleitungsfrage wechselt er vom Repetier- zum schweren Maschinen-Gewehr: "Hitler hat damals mit genau den gleichen Argumenten, die jetzt Putin benutzt, die Tschechoslowakei zerschlagen . . ." Da kennt er nix, der Martenstein, da folgt er blindrechts dem Hitler-Putin-Verweis von Hillary Clinton: Saddam Hussein galt ihr auch als so eine Art Hitler, der Vergleich hat dann im Irak etwa eine halbe Million Tote gekostet, was mag der Putin-Hitler-Vergleich kosten wenn Martensteins Blindflug in die Geschichte zur Landung käme? Das wäre mal was, wenn dabei "Putins Russland", diese "Despotie" zerstört würde. Wenn der Krieg nur nicht Martensteins Häuschen in der Uckermark erreicht, wo sollte er sich sonst vom Sudeln erholen?

Beim schwachen Denken der Martensteins darf die rhetorische Frage nicht fehlen, jene plumpe Sprachfigur, die den Schöpfern der Pappkameraden so sabbernd von der Zunge glitscht: "Was genau findet ihr (Linken) an Putin . . . so gut, so sozialistisch und so fortschrittlich? Den Schwulenhass? Die Schauprozesse gegen Oppositionelle? Die Zensur?" Eh, Martenstein, alter Wichser, was sollen wir Linken jetzt antworten? Wäre dir ein bekennendes "alles" recht? Und wenn wir das gestehen, würdest du uns dann Asyl gewähren in jenem echt demokratischen NATO-Gebilde, in dem Foltergefängnisse zur Normalität gehören, in dem jeder schreiben darf was er will, Hauptsache er wagt sich nicht zu weit aus dem Arsch seines Verlegers raus, in jener US-Kolonie, in der die Oligarchen vornehm Finanz-Investoren genannt werden und der Krieg immer eine heilige Mission zur Bekehrung Andersdenkender ist? Mann, Harald, wir würden alles dafür geben, wenn wir soviel Herrschaftsspeichel lecken dürften wie du, wenn du uns nur verraten könntest, wie man sich dabei nur für so einzigartig halten kann wie ihr, ihr seriellen Spiegelfechter für Freedom and Democracy.

Das Buch zum Schmock:
http://www.amazon.de/Der-Schmock-Das-bekannte-Unwesen/dp/3844276165

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So viel Wucht gegen das Martensteinchen! Der arme Kerl.

Herbert Steinmüller
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Ich brauche solche Artikel, damit ich den täglichen Schwachsinn dieser Martensteins (pars pro toto), den ich zwangsweise schlucken muss, ohne Dauerkotzen verarbeiten kann. Ich höre ihn aus dem Deutschlandradio beim Kochen, in ARD+...+Phoenix, in...

Ich brauche solche Artikel, damit ich den täglichen Schwachsinn dieser Martensteins (pars pro toto), den ich zwangsweise schlucken muss, ohne Dauerkotzen verarbeiten kann. Ich höre ihn aus dem Deutschlandradio beim Kochen, in ARD+...+Phoenix, in ZEIT, Spiegel, Focus, Stern beim Zahnarzt, ... ich möchte dreinschlagen und Bomben legen.
Da kommt die Rettung, um ein friedlicher Mensch bleiben zu können.

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Eckhard Dietz
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Herr Martenstein scheint von Zensur auch nicht allzu viel zu verstehen. Ich habe ihm zu seinem hier kritisierten Beitrag auch diese Lesermeinung geschrieben.:
Hallo Herr Martenstein,
ich möchte nur auf den letzten Absatz in Ihrem Meinungsbild...

Herr Martenstein scheint von Zensur auch nicht allzu viel zu verstehen. Ich habe ihm zu seinem hier kritisierten Beitrag auch diese Lesermeinung geschrieben.:
Hallo Herr Martenstein,
ich möchte nur auf den letzten Absatz in Ihrem Meinungsbild eingehen, die Zensur. Lehnen Sie sich da nicht ein wenig weit aus dem Fenster? Wie sieht das beim Tagesspiegel aus? Erst letzte Woche wurden zwei Leserbeiträge von mir nicht veröffentlicht, einmal zum Thema
Frank-Walter Steinmeier verliert die Geduld http://www.tagesspiegel.de/meinung/krim-krise-frank-walter-steinmeier-verliert-die-geduld/9646438.html
Und dann noch zum Tagesspiegel-Beitrag
Heutige Rentner haben es noch gut http://www.tagesspiegel.de/meinung/rentenerhoehung-heutige-rentner-haben-es-noch-gut/9645730.html?ajaxelementid=%23commentInput&pageNumber=2
Ich betrachte diese Nichtveröffentlichung auch als Zensur, weil ich mich zwar einer deutlichen, aber keinesfalls ausfallenden Sprache bediene. Deutliche Sprache bedeutet, dass ich auf Polemik oder Propaganda verweise und dazu auch die Beweise liefere. Aber vielleicht ist beim Tagesspiegel schon die Frage, ob sich der jeweilige Autor auch schon mal mit den Fakten beschäftigt hat, nicht publizierfähig. Dann sollte allerdings auch in der Nettiquette vermerkt werden, dass abweichende Meinungen oder Hinweise auf die Inkompetenz der Tagesspiegelschreiber verboten sind, so wie auch wohl dieser Beitrag. Aber ich wollte nur, dass Sie das wissen.
Allerdings gehe ich davon aus, dass auch dieser Beitrag nicht mit der ungeschriebenen Nettiquette des Tagesspiegel vereinbar ist und deshalb nicht veröffentlicht wird.
Das gilt allerdings auch für etliche andere Gazetten in diesem Land.

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Gert Flegelskamp
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Uli Gellermann
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Der letzte Absatz bekam meinem Monitor nicht gut! (Vielleicht sollte ich das nächste Mal den Kaffee-Pot eher beiseite stellen?!)

Jedenfalls hat mir der Artikel ein ziemlich fettes Grinsen ins Gesicht gezaubert. Danke dafür!

Tilo Schönberg
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Ich schließe mich dem Leser Eckhard Dietz an: Auch ich brauche diese Artikel, um den täglichen…! Das ist dann wirklich wie der erste Schluck kühlen, klaren Wassers nach einem heißen, staubigen Tag.

Ein wieder wunderbarer Schmock, lieber...

Ich schließe mich dem Leser Eckhard Dietz an: Auch ich brauche diese Artikel, um den täglichen…! Das ist dann wirklich wie der erste Schluck kühlen, klaren Wassers nach einem heißen, staubigen Tag.

Ein wieder wunderbarer Schmock, lieber Chefpathologe! Traumhaft: Er war das zweite Highlight (nach Tymoschenko), das sich meiner an diesem Tag willkommenst bemächtigte. Tage mit neuen Geschichten aus Ihrem Sektionssaal sind einfach per se gute Tage!

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Reyes Carrillo
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Was Martenstein als ehemaliges Mitglied der moskautreuen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) nicht versteht: dass nicht alle Linken solche antikommunistischen Wendehälse sind wie er.

http://www.tagesspiegel.de/meinung/russland-die-ukraine-und-d...

Was Martenstein als ehemaliges Mitglied der moskautreuen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) nicht versteht: dass nicht alle Linken solche antikommunistischen Wendehälse sind wie er.

http://www.tagesspiegel.de/meinung/russland-die-ukraine-und-die-linkspartei-ich-verstehe-die-linke-nicht/9656684.html

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Bernhard T.
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Danke für den tollen Artikel - sowas bestätigt mir doch immer wieder, dass wir auf dem richtigen Denkweg sind !
Mein Kaffee blieb zum Glück im Pott (Tilo Schönberg ;-)... ) - ich hab vor Begeisterung den Busstecker meiner Funkverbindung weggehauen...

Heidi Schmid
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Nur gut, dass mir hier im Süden der Martenstein nicht vor Augen kommt! Wir haben da bei der SZ noch ganz andere Kaliber, von denen dieser vielleicht sogar manches abschreibt. Glücklicherweise liest der wackere Uli Gellermann offenbar bundesweit...

Nur gut, dass mir hier im Süden der Martenstein nicht vor Augen kommt! Wir haben da bei der SZ noch ganz andere Kaliber, von denen dieser vielleicht sogar manches abschreibt. Glücklicherweise liest der wackere Uli Gellermann offenbar bundesweit und verhackstückt sie alle zu Schmocks des Monats. RATIONALGALERIE lesen bildet also. Nicht nur Meinung, sondern auch echte Information über andere Provinzen. So lerne ich dieses Deutschland immer genauer kennen. Und seine Presselandschaft als das erkennen, was sie zu weiten Teilen zu sein scheint: Ein Sumpf, überwuchert von Gestrüpp und dichten Wäldern. Kein Wunder, dass die Römer zögerten, den Limes dauerhaft zu überschreiten. Die moderne "Kulturlandschaft" mit Stromtrassen und Autobahnschneisen, weiträumigen Rodungen um Ballungsgebiete und Großstädte, die schnurgeraden Bahntunnel und all das Hightech-Gedöns mit Glasfaserkabel-Verlegung ist wohl nur Tarnung; im tiefsten Inneren sitzen wohl viele noch zwischen den Baumwipfeln und halten Ausschau nach dem Donnergott. Hin und wieder setzen sie einen Marterstein, zur Abschreckung gegen Fremde. Die Hölzchen, zu Runen gelegt, künden von einer gewissen geistigen Genügsamkeit: Germanien züchtet seine Geranien. Die Stilblütenlese künftiger Kultur-Archäologen könnte sehr reichhaltig, wenngleich gehaltlos ausfallen. Aber bis dahin muss es uns auch nicht mehr peinlich sein. Fremdschämen macht kaum noch Sinn bei soviel Schamlosigkeit. Da ist es (für die Psycho-Hygiene) mit einem herzhaften Lachen (aus Verzweiflung) mehr getan.

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Wolfgang Blaschka
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542 Worte, um die einfache Frage eines Journalisten nicht beantworten zu muessen. Wenig beeindruckend.

Chris Hufschmied
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Falsch, ich beantworte sie doch, nur passt Ihnen die Antwort nicht.

Uli Gellermann
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Schön perfide ist ja auch, was in der "Süddeutschen" (5.4.14) voller Bewunderung wiedergegeben wurde, wie der Yale-Professor Snyder die sogenannten Putin-Versteher als heimliche Faschisten denunziert. Vgl. dazu den Beitrag "O Yale, Amerikas...

Schön perfide ist ja auch, was in der "Süddeutschen" (5.4.14) voller Bewunderung wiedergegeben wurde, wie der Yale-Professor Snyder die sogenannten Putin-Versteher als heimliche Faschisten denunziert. Vgl. dazu den Beitrag "O Yale, Amerikas Stolz!" auf http://www.abgrundkontrollstelle.de

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Gerd Busch
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