Eines Abends, in Gesellschaft eines guten Gas Weines, Dr. Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, in ein Selbstgespräch versunken: „Da sagen mir manche nach, die TAGESSCHAU hätte kein Auge für die kleinen Dinge des Lebens. Aber einen viel kleineren Staat als die Inselgruppe Palau im Pazifischen Ozean gibt es wohl kaum. Und genau dieser Staat hat sich jüngst einer UNO-Resolution verweigert. Was mache ich? Ich nehme die 22.000 Einwohner Palais und ihren erklärten Unwillen gegenüber einer UNO-Resolution nicht nur war, sondern folge auch noch der Anregung aus Palau und berichte über genau diese Resolution NICHTS.
Palau war mal deutsches Mandatsgebiet und später noch länger unter Kontrolle der USA. Man muss also annehmen, dass die Palauer wissen was Nationalsozialismus und Rassismus ist. Und der jüngsten Resolution gegen Nationalsozialismus und Rassismus haben die Palauer nicht zugestimmt. Da trample ich als mittelmächtiger Sender doch nicht auf den Gefühlen der Inselbewohner rum und berichte über etwas, was dieses kleine Land nicht will! Da nehme ich doch Rücksicht mit drei Ü! Da lasse ich doch meine diplomatische Sensibilität raushängen bis man drauf treten kann! Dr. Gniffke hebt sein Glas und beginnt zu singen: Belau loba klisiich er a kelulul (Palau schreitet voran mit Stärke und Macht)“ – Es war dann wohl doch ein drittes Glas Wein im Spiel.
Programmbeschwerde
Für Nazis zweierlei Maß
Sehr geehrte Damen und Herren Rundfunkräte, sehr geehrter Herr Intendant,
die deutsche politische Funktionselite bejammert und empört sich mittlerweile schon geradezu rituell, dass hierzulande Wählerstimmen zunehmend an die extreme Rechte verloren gehen und obskure Gruppen in diesem Spektrum sogar die Nazi-Zeit wieder glorifizieren. Von „Pack" und „Rechtspopulisten" ist die Rede, da wird gar die Notwendigkeit beschworen, unsere repräsentative Demokratie vor solchen Kräften gesetzlich zu schützen. Von notwendigem Kampf gegen Rechts ist allerdings dann nie die Rede, wenn er imperiale Interessen dieser Elite stören würde. Geradezu klassisches Beispiel: Wenn der ukrainische Putschistenpräsident und Oligarch Petro Poroschenko die Faschisten seines Landes braucht, um eventuellen Russenverstehern in den eigenen Reihen die Kante zu geben – dann schlägt auch die Stunde unserer medialen Funktionselite: ARD-aktuell-Chef Dr. Gniffke nimmt Golineh Atais journalistischen Service für den rechten Sektor in Kiew in Anspruch und lässt genüßlich an die zahlungsverpflichteten deutschen TV-Haushalte liefern; die Verbreitung von Russenhass genießt Wohlwollen und Priorität.
Von prinzipiell kritischer Betrachtung nazistischer Geschichte merkt man im Angebot des zentralen Nachrichteninstituts auch nichts, wenn italienische Gerichte die Auslieferung von in Italien verurteilten Nazi-Mördern fordern, die komfortabel ihren Lebensabend in deutschen Altersheimen verbringen. Grüßonkel-Präsident Gauck hält zwar vor Nazi-Opfern von Betroffenheit triefende Reden, will sich aber nicht dafür einsetzen, dass unser Staat für diese Hinterbliebenen ein paar Euro lockermacht ...
Wir bitten um Nachsicht, dass wir aus hygienischen Gründen nicht auf diese Einstimmung in die o.g. Programmbeschwerde verzichten mochten. Sie schien uns bedauerlicherweise notwendig, wir wollen damit bewusst machen, welche arrogante Scheinheiligkeit sich darin dokumentiert, dass ARD-aktuell über folgenden Vorgang auf der internationalen Bühne kein Wort verlor:
Seit einiger Zeit berät der "Dritte Ausschuss der Vollversammlung der Vereinten Nationen" in jährlichen Abständen eine Resolution zum Kampf gegen die Glorifizierung des Nationalsozialismus und gegen neue Formen von Rassismus und Fremdenhass. Auch diesmal war ein entsprechendes Dokument von Russland vorbereitet und eingebracht worden. Unstreitig dürfte selbst in der UNO sein, dass Russland jedes Recht und Anlass zu einem solchen diplomatischen Vorstoß hat, ein Blick auf die mehr als 20 Millionen sowjetischen Toten, die im Welkrieg II dem Wüten der deutschen Nazi-Wehrmacht, der SS und dem SD zum Opfer fielen, bestätigt das, und ein Blick darauf, dass der Neofaschismus derzeit wieder überall in Europa (und nicht nur hier) fröhliche Urständ feiert, bestätigt es ebenfalls.
Unstreitig sollte auch sein, dass es gemäß Programmauftrag und Programmrichtlinien des Staatsvertrags und aus berufsethischen Gründen zu den Aufgaben von ARD-aktuell gehört hätte, über diesen Vorstoß zu berichten. Tagesschau & Co. hätten zwingend vermelden müssen, dass diese so wesentliche Initiative gegen den Nazismus nun schon zum wiederholten Mal ordinärem Zweckmäßigkeitsdenken geopfert wurde. Zwar unterstützten neben Russland 131 Staaten die Resolution, darunter die VR China und Indien. Aber die USA, die Ukraine und der pazifische Insel-Kleinstaat Palau stimmten dagegen. 48 Staaten mochten sich zum Nazismus und Neofaschismus nicht erklären, darunter – Deutschland: in sklavischer Gefolgschaftstreue zu den USA nie bereit, der Supermacht entschieden entgegenzutreten, nicht einmal aufgrund historischer Schuld und Scham. ...
Selbstredend drückt sich in diesem deutschen Abstimmungsverhalten das Politikverständnis des Noch-Außenministers aus, unseres künftigen Blumenkübels auf Schloss Bellevue, Frank-Folter(Kurnaz) Steinmeier. Dass ARD-aktuell über das Verhalten der Bundesrepublik nicht berichtet hat, entspricht ihrer Redaktionslinie, Russlands Politik zu marginalisieren, wenn sich schon nicht dagegen polemisieren lässt. Hier werden mittels Nachrichtenunterdrückung gleich mehrere politische Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das reaktionäre Bedürfnis in Deutschland, „endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen“ wird gepflegt. Dem Aufkommen von Verständnis und Sympathie mit Russland wird begegnet. Dem imperialen Interesse der USA und ihrer partiell bereits antidemokratischen Gesellschaft sowie den Interessen der Berliner Funktionselite wird gedient.
Und Programmauftrag sowie berufsethischen Grundsätzen wird erneut eine Abfuhr erteilt.
Friedhelm Klinkhammer, Volker Bräutigam