Kaum eine erste Zeitungsseite, kaum ein TV-Sender, kaum eine Radiosendung, der in diesen Tagen auf den Slogan "Wir alle sind Charlie" verzichten mag. Die zwölf in Paris Ermordeten in und an der Zeitung "Charlie Hebdo" erfahren Zuwendung und Trauer in aller Welt. Staatsoberhäupter kondolieren, Prominente geben Kund, Journalisten kommentieren: "Wir alle sind Charlie".

Darf man die Zahl der Toten vergleichen? Jene mehr als eine Million Muslime, die im Ergebnis der US-Invasion in den Irak umgebracht wurden, jene mehr als 40.000 afghanische Zivilisten, die dem "Krieg gegen den Terror" zum Opfer gefallen sind, jene etwa 50.000 Libyer, die auf dem Altar der NATO-Intervention verbrannt wurden, jene ungefähr 3.000 Tote im Resultat amerikanischer Drohnen-Hinrichtungen in Pakistan, darf man die mit den zwölf Toten in Paris vergleichen? Nein, darf man nicht. Denn jeder Tote ist einer zu viel.

Was man vergleichen darf ist das Maß an Trauer, an Mitleid, an Interesse, den diese oder jene Tote auslösen, ausgelöst haben. Die zumeist muslimischen Toten in den Kriegen des Westens in der islamisch geprägten Welt haben kein Gesicht, sie sind Statistik, Kollateralschäden am Wegesrand amerikanischer Geopolitik. Es sind auch so viele, wie sollte man da den einzelnen würdigen, selbst wenn man wollte. Aber man will gar nicht. Die Toten der Missionen, Interventionen, Einsätze, oder wie immer die Kriege genannt werden, sind lästig. Sie könnten die Frage nach dem Warum auslösen.

Schon vor den Morden in Paris stellte eine Bertelsmann-Studie fest, dass sich fast 60 Prozent der Deutschen vom Islam bedroht fühlen. Das ist Ergebnis einer zwingenden Logik. Sind doch die Kriege des Westens in und gegen islamische Länder zumeist solche, die im Spiegel deutscher Medien und Politik der Freiheit dienen. Dem guten Ziel, die jeweilige Bevölkerung von ihren unnützen Herrschern, nützlichen Rohstoffen und schlechten Sitten und Gebräuchen zu befreien. Im Umkehrschluss sind diese Kriege gut und die Moslems böse: So entsteht Pegida.

Auf dem Trittbrett der Morde in Paris fahren die Truppen der CSU, die jetzt aber ganz schnell die Vorratsdatenspeicherung durchsetzten wollen, fährt der fröhliche Terror-Experte von der CDU, Wolfgang Bosbach, der "keine Handbreit Boden für Islamismus, für Salafismus" hergeben will, als hätten die Salafisten bereits das Rheinland besetzt. Auf dem Epigonen-Brett steht auch die Schriftstellerin Monika Maron, die schon vorher wusste: Der Islam gehört nicht zu Deutschland! Sie war bereits vor Weihnachten gemeinsam mit ihrem Kollegen Peter Schneider in Dresden gewesen und ist mit der Diagnose zurückgekommen: "Pegida ist keine Krankheit, Pegida ist das Symptom". So gibt denn der Schriftsteller Peter Schneider auch Entwarnung: Es gab "erstaunlich wenig Bierflaschen" in Dresden weiß er zu berichten.

Wir alle sind Charlie und Ali: Wenn man denn die vielen muslimischen Toten unter dem beliebten arabischen Namen Ali subsumieren darf. Aber diese Haltung würde ja die ideologischen Fronten auflösen, die so nützlich für die Kriege sind. Und außerdem: Der islamischen Toten sind zu viele. So viel Zeit zum Trauern kann der Westen einfach nicht aufbringen.

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Man muss schon sehr eitel sein, wenn man glaubt zu allem seinen Senf geben zu müssen. Und dann kommt man auch auf die absurde Idee, den Anschlag in Paris mit den Einsätzen in islamischen Ländern gleichzusetzen. Jetzt reicht´s. Streichen Sie mich...

Man muss schon sehr eitel sein, wenn man glaubt zu allem seinen Senf geben zu müssen. Und dann kommt man auch auf die absurde Idee, den Anschlag in Paris mit den Einsätzen in islamischen Ländern gleichzusetzen. Jetzt reicht´s. Streichen Sie mich umgehend aus Ihrem Verteiler.

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Ebehard Zeidler
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Wenn der Blödsinn nicht so traurig wäre, ... .

Gestern kreischt ein Herr Deutscher, daß Sie sich schämen sollen, weil
Sie nichts über Paris und Charly schreiben.
Heute kündigt jemand sein Abo, weil Sie etwas darüber schreiben, was dem
aber...

Wenn der Blödsinn nicht so traurig wäre, ... .

Gestern kreischt ein Herr Deutscher, daß Sie sich schämen sollen, weil
Sie nichts über Paris und Charly schreiben.
Heute kündigt jemand sein Abo, weil Sie etwas darüber schreiben, was dem
aber offensichtlich nicht paßt.
Schöner kann niemand Ihnen bestätigen, daß Sie offenbar alles richtig
machen, was mit großer Sympathie ebenfalls bestätigt Olaf Teßmann.
.

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Olaf Teßmann
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Das verkündet heute Kai Gniffke, Erster Chefredakteur ARD-aktuell:

"Als Journalisten sind wir zu strikter Neutralität verpflichtet. Es gehört zu unserem journalistischen Selbstverständnis, dass wir Meinung und Bericht klar trennen - oder, um es...

Das verkündet heute Kai Gniffke, Erster Chefredakteur ARD-aktuell:

"Als Journalisten sind wir zu strikter Neutralität verpflichtet. Es gehört zu unserem journalistischen Selbstverständnis, dass wir Meinung und Bericht klar trennen - oder, um es mit Hanns-Joachim Friedrichs zu sagen: Wir machen uns mit keiner Sache gemein. Beim Überfall auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" weichen wir davon ab. - Bereits am Mittwoch haben wir zu Beginn der Tagesthemen mit dem metergroßen Schriftzug "Nous sommes Charlie" ein Zeichen gesetzt. Ein Zeichen für unser Mitgefühl mit den Opfern, ein Zeichen der Solidarität mit unseren französischen Kollegen, ein Zeichen für Meinungs- und Pressefreiheit. -Wir knicken nicht vor dem Terror ein."

Vor dem Terror der NATO in Libyen lag das Gniffken auf dem Bauch. Den verbündeten Terror in Afghanistan konnte die ARD lange Jahre nicht als Krieg bezeichnen. Und den Versuch das Regime in Syrien auszuwechseln nannte der Sender immer gern Freiheitskampf. Was sich da jetzt als Kämpfer für die Pressefreiheit ausgibt, das schändet die Leichen der Ermordeten in Paris, in Kabul und in Tripolis.

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Clara Hergarten
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Würde die westliche "Wertegemeinschaft" die Werte praktizieren die sie vorgibt zu vertreten, hätten insbesondere die MSM den Islam nicht quasi unmittelbar in den konträren Focus stellen dürfen. Auch die Politik ließ sich nicht lumpen und z.B. in...

Würde die westliche "Wertegemeinschaft" die Werte praktizieren die sie vorgibt zu vertreten, hätten insbesondere die MSM den Islam nicht quasi unmittelbar in den konträren Focus stellen dürfen. Auch die Politik ließ sich nicht lumpen und z.B. in Gestalt eines depperten CSU-Generals verkünden, daß dies ein Anschlag auf uns alle sei, incl. all dem Freiheits- und Demokratiegeschwafel. So schürt man Angst und Hass, schafft Feindbilder um genau das einzuschränken was man vollmundig voranstellt zu verteidigen!

Sicher ist bis heute, daß rücksichstlos gemordet wurde und die >>mutmaßlichen<< Täter einen religiösen Fanatismus entwickelt haben sollen. Dadurch werden sie aber nicht gleichsam zum Sinnbild einer Religion, sondern bleiben das was durch ihre Tat zum Ausdruck gebracht haben - professionell agierende Mörder. Es ist deshalb angezeigt die Täter zu fassen und deren persönliches Umfeld sowie konspirative Kreise zu durchleuchten. Vorhin im moma kursierten Al-Qaida, ein Nachfolger Osama Bin Ladens und auch der IS war mit von der Partie. Sollte dies zutreffen, wäre auch deren Struktur auf den Grund zu gehen bzw. hätte man dies schön längst tun müssen um viel von dem Elend zu verhindern unter dem die Welt heute leidet. Davon wird man aber weiterhin tunlichst die Finger lassen, damit sich u.a. nicht das Gegenteil dessen erweist, was mitleidsvolles Bedauern nebst anschließenden Parolen zum Ausdruck bringt. Der Nato-infizierte Westen ohne sorgsam gehegte Feindbilder - mittlerweile undenkbar wie sich seit Fall der Mauer unzweifelhaft erwiesen hat.

Nur wer den kritischen Blick für das Ganze im Focus hat, dabei auch und gerade unliebsame Zusammenhänge erkennt und deutlich macht, wird in diesem Morast nicht versinken. Und soweit er/sie Anstand haben, endet man weder als perfider Initiator, noch als nützlicher Vasall oder trottelndes Kanonenfutter.

Aufrichtigen Dank an dieser Stelle an Herrn Gellermann für seinen fortwährenden Scharfsinn, der heute bereits mit der Feststellung "Wir alle sind Charlie>> & Ali<<" prägnant verdeutlicht woran es fehlt!

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curti curti
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Man kann auch Töten und Tote vergleichen. Etwa Alfred Herrhausen mit den Toten der ganz normalen Geschäftspolitik der Deutschen Bank. Oder das Töten des Terroristen Wilhelm Tell mit dem Töten der Feudalherren.
Solche Vergleiche sind sogar wichtig,...

Man kann auch Töten und Tote vergleichen. Etwa Alfred Herrhausen mit den Toten der ganz normalen Geschäftspolitik der Deutschen Bank. Oder das Töten des Terroristen Wilhelm Tell mit dem Töten der Feudalherren.
Solche Vergleiche sind sogar wichtig, denn nur so kommt heraus, das Klerikalfaschisten wie die Gebrüder Chérif ebenso wenig Rächer unterdrückter Muslime sind, wie der SS-Offizier Hans-Martin Schleyer ein Rächer unterdrückter Deutscher in Böhmen war.
Solche Vergleiche helfen das Töten von Faschisten und Klerikalfaschisten für eine reaktionär autoritäre Weltordnung vom Töten für die Befreiung von einer solchen Ordnung zu unterscheiden.
In der Wut und Trauer über den Anschlag auf Charlie Hebdo treffen sich Antifaschisten und Atheisten mit den Heuchlern des Imperialismus. Auch hier hilft der Vergleich im Medienecho, aber ich würde ihn anders ziehen.
Vergleichen würde ich dieses Medienecho mit dem auf die Taten von christlichen Klerikalfaschisten, die in den USA ganze Bundesstaaten abtreibungsfrei gebombt haben. Vergleichen würde ich die Empörung etwa mit der über eine christliche Scharia, die Frauen in Irland oder Polen selbst nach einer Vergewaltigung keine Abtreibung erlaubt. Oder mit wiederholten Versuchen der CSU `Gotteslästerung´ wieder als Straftat einzuführen.
Solche Vergleiche helfen auch, sicht nicht vor einer Islamisierung statt vor einer Christianisierung des Abendlandes zu fürchten. Wenn in Wildbad Kreuth der Ex-CSU-Innenminister Friedrich behauptet, ein angeblicher Vorschlag zur Abschaffung von Weihnachtsmärkten hätte Pegida befördert, werden solche Vergleiche noch wichtiger.
Die Christen haben Schwert und Scheiterhaufen vorläufig durch Gesetze und Geldstrafen ersetzt. Man kann dies zivilisiert nennen, aber das macht sie aber nicht weniger gefährlich.

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Dario Vo
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"Wir knicken nicht vor dem Terror ein" - wie wahr. Wir fördern und betreiben den Terror in Syrien, Irak, Palästina, Afghanistan, Afrika und wo immer wir unsere Werte "verteidigen". Hart im Geben, schwach im Nehmen - viel ist sie nicht wert, diese...

"Wir knicken nicht vor dem Terror ein" - wie wahr. Wir fördern und betreiben den Terror in Syrien, Irak, Palästina, Afghanistan, Afrika und wo immer wir unsere Werte "verteidigen". Hart im Geben, schwach im Nehmen - viel ist sie nicht wert, diese jämmerliche Kultur der Scheinheiligkeit ...

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Klaus Madersbacher
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Wem das Herz voll ist, dem quillt der Mund über:

Thematisches Exzerpt zu "Ist der Kommunismus exklusiv?" (BB)


"Wir können und müssen darauf hinweisen, dass unsere Aussagen keine beschränkt subjektiven, sondern objektive allgemeinverbindliche...

Wem das Herz voll ist, dem quillt der Mund über:

Thematisches Exzerpt zu "Ist der Kommunismus exklusiv?" (BB)


"Wir können und müssen darauf hinweisen, dass unsere Aussagen keine beschränkt subjektiven, sondern objektive allgemeinverbindliche sind. Wir sprechen nicht für uns als einen kleinen Teil, sondern für die gesamte Menschheit als der Teil, der die Interessen der gesamten Menschheit (nicht eines Teiles) vertritt. Niemand hat das Recht, daraus, dass wir kämpfen, den Schluss zu ziehen, wir seien nicht objektiv."

...



"Wer immer heute, um einen scheinbar objektiven Eindruck hervorzurufen, den Eindruck, als kämpfe er nicht, hervorruft, der wird bei genauer Betrachtung auf einen hoffnungslos subjektiven, die Interessen eines winzigen Teils der Menschheit vertretenden Standpunkt ertappt werden können."


...


"Es ist notwendig, dieser besitzenden Schicht, einer entarteten, schmutzigen, objektiv und subjektiv unmenschlichen Clique, sämtliche `Güter idealer Art´ aus den Händen zu schlagen, gleichgültig, was eine ausgebeutete ... Menschheit ... weiterhin anzufangen wünscht."
.
...


"Unsere Gegner sind die Gegner der Menschheit. Sie haben nicht `recht´ von ihrem Standpunkt aus: das Unrecht besteht in ihrem Standpunkt."

"Es ist verständlich, dass sie sich verteidigen, aber sie verteidigen den Raub und die Vorrechte, ..."


...

"Und die Verlage der Bücher und Zeitungen rechnen, um nicht pleite zu gehen, mit Analphabeten. Nicht im Finden und Aussprechen der Wahrheit zeigt sich das, was Klugheit genannt wird, sondern im Finden der Unwahrheit ...

"

Letztlich geht es immer und nur um die Vielen und die Wenigen. Der Verrat dessen von den Vielen, der sich zu den Wenigen wähnt, muss aufgedeckt werden.


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Manfred Ebel
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Lieber Uli,
mir fällt auf, ich habe Dich zu lange nicht mehr gelobt. Das ist heute wieder mal überfällig.

Hans-Günther Dicks
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Danke für diese wunderbare, Frieden stiftende Überschrift.

Christoph Simon
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Der Eitelkeit bezichtigt zu werden, nehmen wir gern in Kauf, wenn es um die Verteidigung der Wahrheit geht. Und so frage ich: Wann, wenn nicht jetzt, den unverbesserlich Kriegslüsternen den Spiegel vorzuhalten?
Und so erlaube ich mir, mich nicht...

Der Eitelkeit bezichtigt zu werden, nehmen wir gern in Kauf, wenn es um die Verteidigung der Wahrheit geht. Und so frage ich: Wann, wenn nicht jetzt, den unverbesserlich Kriegslüsternen den Spiegel vorzuhalten?
Und so erlaube ich mir, mich nicht nur dem Beitrag von Uli Gellermann, sondern auch den Worten Willy Wimmers anzuschließen, jenes mutigen Mannes, der 33 Jahre als Bundestagsmitglied die CDU vertrat, erst verteidigungspolitischer Sprecher der Union war, dann parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und von 1994 bis zum Jahr 2000 Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), nachzulesen auf der Schwerpunkt-Seite 3 der "Jungen Welt" von Freitag, dem 9. Januar 2015:

"GEGEN JEDEN TERROR" - "In dem Maße, wie wir die Opfer in Paris beklagen, dürfen wir nicht verkennen, in welch erschreckendem Umfang wir zu Massenmorden rund um die Welt beitragen."

Darüber gründlich nachzudenken und die Kriegsturbinen der USA und der NATO auf Umkehrschub zu schalten, wäre gut - und in die gegenwärtige Trauer auch die unschuldigen Mütter und Kinder einzubinden, die Opfer wurden und immer noch werden, überall dort, wo Bomben der sogenannten Wertegemeinschaft fallen.

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Lutz Jahoda
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