Auf jedem besseren Jahrmarkt ist der Ruf zu hören: Wer hat noch nicht, wer will noch mal?! Und während der Marktschreier auf dem Rummel Lose anpreist oder die nächste Rundfahrt auf dem Karussell oder der Geisterbahn, geht es bei der SPD um den nächsten Kandidaten für den Parteivorsitz. Bisher haben sich erst 13 Damen und Herren gemeldet, aber es werden täglich mehr; am Erscheinungstag dieses Artikels kann die Zahl schon wesentlich höher sein. Welcher Mühe müssen sich die Protokollanten in Partei und Medien unterziehen, wenn sie immer wieder neue Nasen melden müssen, die mal am Parteivorsitz-Sessel schnuppern wollen. Doch ließe sich das Verfahren durchaus vereinfachen. Wenn alle 457.700 Mitglieder der SPD kandidieren würden. Dieses mit Abstand demokratischste Verfahren würde auch bei der Auszählung wenig Mühe bereiten, wenn bitte alle Genossen nicht nur kandidieren, sondern sich auch selbst wählen wollten.

Der große Vorteil des "Alle-Mann-Vorsitzenden-Verfahrens" liegt nicht nur in seiner zutiefst demokratischen Grundstruktur, sondern auch in der gnadenlosen Vermeidung von politischen Inhalten. Bereits jetzt, wo nur 13 Gesichter das Zwielicht deutscher Medien erblickt haben, werden bereits so unbequeme Vokabeln wie Agenda 20/10 oder Auslandseinsätze der Bundeswehr strikt vermieden. Nicht einmal die Worte Rente oder Pflege belasten den Personaldiskurs. Befreit von der ärgerlichen Schwere inhaltlicher Auseinandersetzung können SPD und Öffentlichkeit sich jenen Themen widmen, die zunehmend an Gewicht und Spannung gewonnen haben: Dürfte der Kandidat Karl Lauterbach seine Fliege auch in einem Kanzlerwahlkampf tragen? Ist die Kandidatin Gesine Schwan so alt wie sie sich fühlt oder so infantil wie ihre Behauptung von einem „Powerduett“, wenn sie von sich und ihrem Mit-Kandidaten Ralf Stegner spricht?

Total spannend für das Kandidaten-Gewäsch sind auch solche Fragen: Wie kommt der Bundesaußenminister Heiko Maas dazu, den SPD Spitzenposten eine „Verlockung“ zu nennen? Aus Koketterie, denn er will ihn ja auf keinen Fall oder aus purer Blödheit, denn außer ihm weiß fast jeder, dass es sich um einen Schleudersitz-Job mit Beschimpfungs-Garantie handelt. Ob der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert mit dieser Äußerung "Sportjournalismus ist das Höchste, was ein Mensch mit meinen Interessen erreichen kann" aus dem Rennen geworfen wurde? Der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sollte aus rein sportlichen Gründen – wegen Zeitschinderei – von der Kandidatur ausgeschlossen werden: "Ich werde meine Entscheidung zum gegebenen Zeitpunkt treffen und sie dann noch öffentlich verkünden. Natürlich bin ich auch in einem Denkprozess, aber ich werde meine Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt mitteilen, und die Zeit ist ja noch ausreichend - spätestens am 1.9." Einer der "verkünden" will und zu einem "Denkprozess" in der Lage ist, auf den haben sicher alle Genossen gewartet. Wenn sie sich nicht doch selbst wählen.

"Mit Scholz da rollts" lautet der Slogan einer Möbelspedition und auch für den Kandidaten Olaf Scholz würde der Spruch taugen: Wohin auch immer der Scholzomat rollt, wer die Frachtpapiere ausstellt, ist ihm ziemlich gleichgültig. Immerhin hatte er noch jüngst in aller Deutlichkeit erklärt, dass er als Finanzminister und Vizekanzler kein Parteichef der SPD werden könne: „Es wäre völlig unangemessen, wenn ich das als Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen machen würde. Zeitlich geht das gar nicht.“ So einer kann Kanzler. Gestern versprochen, heute gebrochen. Das erinnert an die Schrödersche Gewissenselastizität. Auch dass der Scholz SPD-Generalsekretär war, als die Agenda 20/10 verkündet wurde und dass er auch heute noch dazu steht, ist ein Zeichen von solider Betonköpfigkeit. Jetzt muss nur noch einer der 457.700 SPD-Mitglieder ihn wählen, statt sich selbst. So einer wird sich finden lassen. Irgendwer muss doch auch damals Schröder gewählt haben.

Mit Scholz ist ganz sicher auch die Neuauflage einer GroKo gesichert, in jenem Gebilde ist der Mann groß geworden. Dort hat er um des Machterhalts willen jede Kröte geschluckt, die vorbei kam und sie nicht nur als lecker, sondern auch als schön bezeichnet. So ein Allesfresser wird auch einen Koalitionspartner wie den ehemaligen Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen verdauen, den Annegret Kramp-Karrenbauer gerade nicht aus der CDU ausschließt und der sicher in der nächsten GroKo wieder sein altes Amt bekleiden darf. Gewiss werden sich Strategen finden, die ein Amt für Maaßen für unabdingbar im Kampf gegen die AfD halten. Da kann die SPD einfach nicht Nein sagen.

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Wie Sie aus dem SPD-Trauerspiel ein Lustspiel machen: Das hat was!

Vera Blume
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Das Ende eine großen, alten Partei ist nicht lustig.

Rob Heber
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Die alte Nutte SPD - wer hier noch von Tanten redet, hat den Schuss echt nicht gehoert ? muss wirklich ausgenudelt sein, wenn wirklich keiner mehr den Zuhaelter machen will. Koennte man da nicht vielleicht doch noch mal den Gabriel fragen? Als...

Die alte Nutte SPD - wer hier noch von Tanten redet, hat den Schuss echt nicht gehoert ? muss wirklich ausgenudelt sein, wenn wirklich keiner mehr den Zuhaelter machen will. Koennte man da nicht vielleicht doch noch mal den Gabriel fragen? Als groesster Waffenschieber in der Geschichte der Sozialdemokratie hat er ja Milieuerfahrung. Und als Vorsitzender der Atlantikbruecke liessen sich die Geschaefte der Partei auch besser mit den Interessen des blonden Immobilienhais aus Uebersee koordinieren: Wer nicht mitmacht, bekommt einen Satz Betonschuhe und kann die Gewaesser vor Groenland erkunden?

Spass beiseite: Eigentlich ein idealer Zeitpunkt diese Partei zu kapern. Gut das hier eine deutsche Version von Jeremy Corbyn bereitsteht. Einer der sich mit Medien auskennt, weiss wie man junge Leute mobilisiert, einer, dessen politische Prinzipien auch an den Taten erkennbar sind? Wie, ham wer nich? Haben die Falken etwa keine ordentliche Nachwuchsarbeit geleistet? Tja, dann halt nicht?

Und Oskars Idee die Linkspartei mit der SPD zu fusionieren? Harr, harr, das ist ungefaehr so schlau, wie ein Rettungsboot nochmal besonders fest an den bereits sinkenden Dampfer zu binden...

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Marc Britz
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Danke für den neuen Begriff den ich noch nicht kannte:
Gewissenselastizität ist wirklich ein schönes Wort.
Ist sie bei 100 % macht eine politische Partei eben alles mit, was der klassische spd Wähler nicht mag, was auch so nie in der Gründungsakte...

Danke für den neuen Begriff den ich noch nicht kannte:
Gewissenselastizität ist wirklich ein schönes Wort.
Ist sie bei 100 % macht eine politische Partei eben alles mit, was der klassische spd Wähler nicht mag, was auch so nie in der Gründungsakte stand:

Ständige Auslandseinsätze, schleichende Militarisierung der Zivilgesellschaft, ein pseudodemokratisches System, bei dem nur der, der über genug Geld verfügt, eine demokratische Teilhabe hat, steigende Verrohung im ganzen Land, ständige, stupide Indoktrination durch Mediendauerbeschuss, hündische, transatlantische Gefolgschaft mit Hang zu verbrecherischem Unrecht und ein klares Bekenntnis zur andauernden Einmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten.
Die spd würde nicht verschwinden, wenn sie sich zuletzt doch noch besinnen würde, zu all diesen Dingen eine klare, eine komplett andere Haltung einzunehmen, doch das scheint sie nicht (mehr) zu können.
Der einzige spd Vorsitzende, der das könnte, den haben sie vor langer Zeit rausgeschmissen, damals als sie sich entschlossen hatten, zukünftig den Chicago boys zu folgen.
Es ist wirklich unendlich schade, war aber absehbar.

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Matthias Brendel
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Man kann zusehen, wie die Gewerkschaften im Schlepptau der SPD abwirtschaften. Oder verhält es sich umgekehrt: die SPD im Schlepptau des müden DGB? Eine Preisfrage, die niemand stellt und deren Beantwortung mehr hergibt als die Frage nach den...

Man kann zusehen, wie die Gewerkschaften im Schlepptau der SPD abwirtschaften. Oder verhält es sich umgekehrt: die SPD im Schlepptau des müden DGB? Eine Preisfrage, die niemand stellt und deren Beantwortung mehr hergibt als die Frage nach den schlappen Vorsitzenden.

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Paulo H. Bruder
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NOTIZEN AUS DER BLACKBOX

SPD im Sturzflugmodus.
Höhenruder klemmt.
Copilot auf Bordtoilette,
Weiß nicht, ob er´s stemmt.
Apparat fliegt selbstgesteuert.
Lampen blinken rot.
Reifen sind zwar runderneuert.
Schad drum! Abturz droht!

Lutz Jahoda
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Das wäre doch der ideale job für eine gewisse Angela Merkel.
Hätte sie weder einen job als parteivorsitzende, die groko hätte auf ewig bestand, 50 millionen deutscher wähler glücklich, dass mutti weiter macht, was will man mehr? womit das zweite...

Das wäre doch der ideale job für eine gewisse Angela Merkel.
Hätte sie weder einen job als parteivorsitzende, die groko hätte auf ewig bestand, 50 millionen deutscher wähler glücklich, dass mutti weiter macht, was will man mehr? womit das zweite gesetz der beliebigkeit und das sechste gesetz de austauschbarkeit von politkern erfüllt wären.

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Guenther Mann
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Bisher haben sich erst 13 Damen und Herren gemeldet, aber es werden täglich mehr; am Erscheinungstag dieses Artikels kann die Zahl schon wesentlich höher sein.
Und bis zum Erscheinungstag dieses Artikels wird die Mitgliederzahl von 457700 wohl um...

Bisher haben sich erst 13 Damen und Herren gemeldet, aber es werden täglich mehr; am Erscheinungstag dieses Artikels kann die Zahl schon wesentlich höher sein.
Und bis zum Erscheinungstag dieses Artikels wird die Mitgliederzahl von 457700 wohl um etwas kleiner sein.
Als Mehrheitsbeschaffer abgelutscht schwelgen sie in Realitätsverweigerung und träumen von einem sPD-Kanzler Scholz. Die Grünen stehen schon buchstäblich Gewehr bei Fuß und sind die irgendwann verschlissen, wird mit den blaunen gekuschelt.

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Ulrich Erich
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Der Posten ist mit 25.000 Euro/monatlich dotiert. Sigi Pop hat damals durchgesetzt das es einem Ministergehalt gleich sein muss.
Es geht nicht um Inhalte, es geht um Diaeten, Posten, Selbstdarstellung, Pensionen, Zulagen, Chauffeure, Dienstwagen...

Der Posten ist mit 25.000 Euro/monatlich dotiert. Sigi Pop hat damals durchgesetzt das es einem Ministergehalt gleich sein muss.
Es geht nicht um Inhalte, es geht um Diaeten, Posten, Selbstdarstellung, Pensionen, Zulagen, Chauffeure, Dienstwagen und 1. Klasse Fluege nebst Diplomatenpass.... ganz ganz viel Testosteron das oben.

Tritt man beiseite oder zurueck und betrachtet die "Parteien" aus der Distanz so komme ich immer mehr zum Schluss das es sich um halbkriminelle Organisationen handelt. Die Parteioberschicht fuellt sich fast hemmungslos die Taschen , auf Kosten der Steuerzahler , ohne jede Art von Rechtfertigung, Kontrolle oder Verantwortung irgendwem gegenueber. Der Schwindel finet seine Kroening in den "Nebenjobs" - nicht mal im komatoesen Vollsuff ist mir das verstaendlich zu machen. 99.87 % der Menschen haben einen Job, wenn er richtig lausig bezahlt wird auch 2 , damit man ueber die Runden kommt. Aber 2 Top bezahlte Jobs, wow, das geht nur in der Politik.
Die Damen u Herrn der Parteien haben sich spraechtig eingerichtet in diesem Land und das Parteien- und Abgeordeten Gesetz dementsprechend angefertigt.
Kein Mensch braucht diese halbkriminelle sPD.
Meine Mutter hat mich nicht 9 Monate getragen um von diesem "Pack" regiert zu werden!!!

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joe bildstein
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Wir sollten uns nicht zieren und es offen und ehrlich aussprechen: von den bis jetzt bekannten Kandidaten/innen hat keine(r) eine wirkliche Chance. Gesine - mir schwant nichts Gutes, Partner Ralf - es gibt nichts besseres als diese SPD -Stegner...

Wir sollten uns nicht zieren und es offen und ehrlich aussprechen: von den bis jetzt bekannten Kandidaten/innen hat keine(r) eine wirkliche Chance. Gesine - mir schwant nichts Gutes, Partner Ralf - es gibt nichts besseres als diese SPD -Stegner verkörpern zwar den jetzigen Zustand dieser SPD am besten, haben aber gegen die Konkurrenz nicht den Hauch einer Chance. In der Gunst der Parteimitglieder liegen sehr weit vorn: - in dieser Reihenfolge:
Tim + Struppi
Pünktchen + Anton
Dick + Doof
Cindy + Bert
Pat + Paterchon
Die drei von der Tankstelle
Romeo + Julia
Die Schürzenjäger
Die Amigos fallen wegen des Namens aus der Wertung
Die meisten Stimmen hätten sowieso Helmut - der Marlboro-Mann - + Locky - die Overstolz der Hanseaten - auf sich vereinigt, doch die stehen aus bekannten Gründen nicht zur Verfügung.
Joschka Fischer soll - so ist zu hören - überredet werden in die Partei einzutreten. Er zickt aber noch rum. Das Handgeld ist ihm noch nicht ausreichend hoch genug.

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H Koba
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