"Es ist Weihnachten" sagt der Bundespräsident zu Beginn seiner Weihnachtsansprache.* Und überrascht damit die Bundesbürger heftig: Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet in diesem Jahr? Schon wieder? Gut, dass wir den Präsidenten haben, sonst hätte diese Weihnachts-Sache wahrscheinlich keiner bemerkt. Doch spätestens als er gerührt feststellt, dass er "vor wenigen Tagen aus Afghanistan zurückgekehrt" ist und fortfährt "es hat mich beeindruckt, wie deutsche Soldatinnen und Soldaten unter Einsatz ihres Lebens Terror verhindern", spätestens jetzt hätte man wissen müssen, dass mal wieder Weihnachten droht: Nichts ist seit Stalingrad romantischer als ein Truppenbesuch kurz vor dem Heiligen Abend.

Als der Bundespräsident aus den Händen des afghanischen Präsidenten, der zu Recht als Schutzpatron der Opiumhändler verehrt wird, den "Sonnenorden" empfängt, fällt das Schlüsselwort: Gauck sei, betont Hamid Karsai, eine "Stütze der Freiheit". Warum nur hat der Bundespräsident in seiner Weihnachtsrede auf sein Lieblingswort "Freiheit" verzichtet? Hakt er doch in einem Satz seiner Ansprache ein zentrales Freiheitsproblem ab: "Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander." Genau hier hätte er die Freiheit von Arbeit ansprechen oder die Freiheit der Finanzokratie die nächste Billion als Weihnachtsgabe zu fordern, preisen können. Doch er bleibt stumm.

Statt dessen überkommt ihn in der Rede eine Sorge über "die Menschen". Sie seien "verunsichert angesichts eines Lebens, das schneller, unübersichtlicher, instabiler geworden ist." Hätte er doch gesagt, sie seien verunsichert weil sie schneller aus ihren Arbeitsverhältnissen fliegen können als man Kündigung sagen kann, weil die Geldmenge zur Rettung der Banken nicht mehr zu übersehen ist, und stabil nur die Ungewissheit der Lebensplanung bleibt. Aber weil er wolkig bleiben will, flüchtet er sich schnell in das traditionelle Kinder-Bild, denn das geht immer: "Kürzlich hat mir eine afrikanische Mutter in einem Flüchtlingswohnheim ihr Baby in den Arm gelegt." Unmittelbar nach dem Rührfoto hat er ihr es dann zurück gegeben. Nicht ohne in der Rede darauf hinzuweisen, dass wir nur jenen "Zuwanderern wohlwollend begegnen, die unser Land braucht."

Da war der Mann in seiner Truppenansprache doch um einiges markiger: "Soldaten müssen sich in Gefechten gegen Überfälle behaupten, müssen heimtückische Anschläge fürchten." Und, nachdem die Heimtücke der schlecht bewaffneten Ziegenhirten in einem asymetrischen Kampf abgearbeitet war, sagte er an die deutschen Legionäre gewandt: "Sie leisten Außerordentliches. Sie bringen Opfer. Sie zeigen Mut." - Alles stimmige Kernsätze: Die Afghanistan-Troupiers bekommen außerordentliche Soldzulagen, sie opfern das Grundgesetz ihrem Einsatz und in ihren befestigten Lagern, ihren modernen Panzern und mit der Luftunterstützung der US-Truppen beweisen sie Tag für Tag jenen feigen Mut, der Okkupationstruppen auszeichnet.

Doch so ungenau der Bundespräsident auch sein mag, gegen Ende seiner Afghanistanansprache wurde er dann deutlich: "Und jetzt freue ich mich darauf, den einen oder anderen von Ihnen zu treffen, ihm die Hand zu geben oder ein Bild für Oma 's Fotoalbum zu machen." So ist es: Es geht in Afghanistan und anderswo um Bilder von Gauck für Oma 's Fotoalbum. Stille Nacht allerseits.

*Die Gauck-Weihnachtsrede wird am 25. 12. 2012 im TV übertragen. Als Text liegt sie bereits jetzt vor.

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Ich möchte nicht versäumen, Ihnen trotz alledem
ein angenehmes Weihnachtsfest zu wünschen
und dass Sie auch im Neuen Jahr nicht den Mut
verlieren, sich zu den Unzumutbarkeiten, die uns
täglich begegnen, zu Wort zu melden.
Haben Sie meinen Dank...

Ich möchte nicht versäumen, Ihnen trotz alledem
ein angenehmes Weihnachtsfest zu wünschen
und dass Sie auch im Neuen Jahr nicht den Mut
verlieren, sich zu den Unzumutbarkeiten, die uns
täglich begegnen, zu Wort zu melden.
Haben Sie meinen Dank für Ihre ausdauernden und
unermüdlichen Bemühungen bisher und wohl auch
in Zukunft. Erfrischend alles jedes Mal.

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Wolfgang Oedingen
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..ja, Du hast Recht.
Gauck entwickelt sich zu einem Albtraum, es kommt halt langsamer daher...
Wobei die FAZ dieser Wochen raisonnierte, dass der "große Wurf" (oder so) von ihm noch ausstehe...
Puuh, was kann da noch kommen?

Dunkle Nacht!

Johannes M. Becker, PD Dr.
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Immer das gleiche Gesülze. Die Soldaren tun nur Ihre Pflicht und Herr Gauck auch.

Ramon C. Rutemüller
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Bald ist das Jahr wieder zu Ende. Da will ich mich doch schnell noch für die vielen klugen Artikel bedanken. Vor allem für den jüngsten Anti-Gauck. Der Mann ist ein entsetzlicher Wichtigtuer und Sie schreiben das klar und deutlich. Danke.

Jenny Holtkamp
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Werter Herr Gellermann,

im Geiste der Weihnachtsbotschaft für alle Menschen dieser Welt und nicht nur für Christenmenschen und soganannte Christen, wünsche ich Ihnen und der Familie "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen...

Werter Herr Gellermann,

im Geiste der Weihnachtsbotschaft für alle Menschen dieser Welt und nicht nur für Christenmenschen und soganannte Christen, wünsche ich Ihnen und der Familie "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen (Wohlergehen)". Machen Sie unbeirrt fort, gemäß des Titels dieser Seite!!!! Bleiben Sie gesund und erfolgreich auch 2013. Einen aufrechten Gruß von mir und meiner Familie

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Werner Wahl
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Es wird gerade ein weiteres Kapitel geschrieben: SYRIEN

Seit gestern Abend melden "Freiheitskämpfer", dass sie vom Giftgas der syrischen Armee "beeinträchtigt" wurden und der weiße Rauch nach Salzsäure riechen würde. Schwesterwilli wird wieder...

Es wird gerade ein weiteres Kapitel geschrieben: SYRIEN

Seit gestern Abend melden "Freiheitskämpfer", dass sie vom Giftgas der syrischen Armee "beeinträchtigt" wurden und der weiße Rauch nach Salzsäure riechen würde. Schwesterwilli wird wieder besorgt sein und vor dem Einsatz deutscher Soldaten warnen ....
Es ist nur etwas zu früh für einen vorbereiteten Einsatz der NATO, denn die PATRIOTs sind noch nicht einsatzbereit, um NATO-Stützpunkte gegen mögliche iranische Schläge abzudecken ....
Höre ich dann diesen Pfaffen ist es mir mehr nach Sylvester zumute!

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Walter Bornholdt
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Bei der Lektüre dieses g r o ß e Freude erzeugenden Textes wünschte man sich doch tatsächlich, daß sich Joachim Gauck vor seinem großen Auftritt einen zwitschert - um dann versehentlich - statt der schon vorbereiteten wolkigen eigenen Rede...

Bei der Lektüre dieses g r o ß e Freude erzeugenden Textes wünschte man sich doch tatsächlich, daß sich Joachim Gauck vor seinem großen Auftritt einen zwitschert - um dann versehentlich - statt der schon vorbereiteten wolkigen eigenen Rede ans Volk - lieber d i e s e n Text vorliest - und zwar von A - Z ....

.... Damit würde er garantiert nicht
nur Omas ein unvergeßliches Vergnügen bereiten! ! !

Weiterlesen
Brigitte Mensah-Attoh
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Die einstmals kritische "Frankfurter Rundschau" verflachte in den vergangenen Jahren mehr und mehr. Es konnte nicht überraschen, daß viele enttäuschte LeserInnen ihr den Rücken kehren würden. Jetzt sieht es so aus, als müsse die Zeitung demnächst...

Die einstmals kritische "Frankfurter Rundschau" verflachte in den vergangenen Jahren mehr und mehr. Es konnte nicht überraschen, daß viele enttäuschte LeserInnen ihr den Rücken kehren würden. Jetzt sieht es so aus, als müsse die Zeitung demnächst ihr Erscheinen einstellen.
Als ehemaliger Redakteur der FR schrieb ich einige Anmerkungen, die am 24.12. im ND veröffentlicht wurden:

http://www.neues-deutschland.de/artikel/808207.beduerfnis-demokratie.html

Mit guten Wünschen zum Neuen Jahr, in dem hoffentlich der Widerstand gegen neue Kriege wächst!

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Henning Hintze
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Am Jahresende darf man bilanzieren: Die RATIONALGALERIE ist mit zur unverzichtbaren Lektüre geworden. Weiter so!

Renate Gröger
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Immer auf den Gauck drauf hauen ist auf Dauer langweilig. Er hat sich doch als ganz netter Präsident herausgestellt.

Jens Spielhagen
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