Es ist die Zuhälter-Frisur aus schlechten Filmen, die Minister Andreas Scheuer spazieren führt: Eingeölt und flott gekräuselt bedeckt sie einen Kopf, der Sprüche wie diesen zum Krieg in Syrien absondert: “Ich habe kein Problem damit zu sagen, wir sind mit der Allianz im Krieg gegen den Terror.” Als Bundesminister terrorisiert Scheuer die Demokratie und verhöhnt das Parlament durch seine Geheimverhandlungen mit Mautbetreibern in einem Geschäft, bei dem es um 53,6 Millionen Euro geht. Ein Sümmchen, von dem der gewöhnliche Zuhälter nur träumen kann. Diese Summe versuchte er immer noch den Firmen zuzuschanzen, die einen Maut-Auftrag erhalten sollten, obwohl der Europäische Gerichtshof die Mautpläne des CSU-Ministers gestoppt hat, obwohl das schon vor der Auftragsvergabe klar war und obwohl der Minister offenkundig das Parlament betrogen hat.

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland sieht im Artikel 66 vor: „Der Bundeskanzler und die Bundesminister dürfen kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben.“ Doch Andreas Scheuer handelt eindeutig im Interesse der Mautfirmen, obwohl er sein Gehalt offiziell vom Bundestag, also von den Steuerzahlern, bezieht. Klar: Das gewerbsmäßige seines Handelns ist ihm erst nachzuweisen, wenn Zahlungen an ihn festgestellt werden. Aber wenn solche Leute nicht völlig blöd sind, dann lassen sie sich erst später für treue Dienste am Profit belohnen. So wie Verkehrsminister Matthias Wissmann, der nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag in den gut dotierten Job als Präsident des Verbandes der Automobilindustrie gewechselt ist. Zuvor hat er aber Pläne für den Bau, Betrieb und die Finanzierung wichtiger Straßenprojekte durch Privatinvestoren vorgestellt: So geht die Zuhälterei auf Ministerebene.

Nun sollte eigentlich das parlamentarische Spiel funktionieren: Ein Minister wird beim Betrügen ertappt, und die Kanzlerin, die ihn ernannt hat, wirft ihn raus. Denn nur so wird man einen Betrugsminister einfach los. Aber zum einen müsste die Merkel öffentlich eingestehen, dass sie einen Lügner und Lobbyisten ins Amt gehoben hat, zum anderen würde sie die Schwesterpartei CSU kränken. Das würde im parlamentarischen Sumpf Blasen werfen, solche die übel riechen, sogenannte Kungel-Fürze.

Doch immerhin, sagt das parlamentarische Regelwerk, es gibt ja noch die Opposition. Die zur Zeit erfolgreichste Oppositionsdarstellerin, die AfD, findet einen Untersuchungsausschuss im Fall Scheuer "völlig überzogen". Und ihr Verkehrspolitiker Dirk Spaniel kann bisher keinen Vertuschungsversuch erkennen. Man will ja demnächst mit der CDU-CSU koalieren, da heißt es heute schon leisetreten.

Die GRÜNEN im Untersuchungsauschuss säuseln von einem "begründeten Verdacht, dass die Vergabe den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verletzte“. Huch! Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit könnte irgendwie Schaden genommen haben. Nicht die Redlichkeit, nicht das Parlament, nicht die Wähler. Man bleibt höflich-parlamentarisch. Immerhin will der Grünenfraktionschef Anton Hofreiter den Rücktritt von Scheuer. Denn der Minister rücke mit der Wahrheit "nur scheibchenweise" heraus. Wie zartfühlend die GRÜNEN sich ausdrücken können.

Auch Jörg Cezanne, für die Fraktion DIE LINKE Mitglied im Verkehrsausschuss, hält sich brav an die parlamentarische Zurückhaltung: "Dass diese Gespräche (mit den Mautfirmen) seitens des Ministeriums nicht in Vermerken dokumentiert wurden, erweckt den Anschein, dass vorsätzlich kritische Gesprächsgegenstände gegenüber dem Parlament verborgen werden sollten. Es steht der Verdacht im Raum, dass die Gespräche genutzt wurden, um den gesetzlich vorgegebenen Finanzierungsrahmen zu umgehen und somit den Haushaltsgesetzgeber zu täuschen.“ Da erweckt was den Anschein und steht dann im Raum rum, sagt der liebe Jörg. Weder kommt das Wort gelogen noch gar das Wort bescheißen vor. Hat er die verschleiernde Sprache als Referent für gesamtwirtschaftliche Fragen im Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft e.V. gelernt?

Einst, in grauer Vorzeit, soll es Medien gegeben haben, die als Opposition und Kontroll-Instrumente wirkten. Die "Tagesschau" referiert untertänigst den Herrn Minister, der sagt, er habe "Nichts zu verbergen" und spendiert ihm mitleidig die Überschrift: "Scheuer sieht sich als Opfer einer Kampagne". Und wer die rüden Attacken der BILD-Zeitung kennt, wenn sie mißliebige Menschen attackiert, der weiß, dass der Scheuer bei Friede Springer gut aufgehoben ist: "Was läuft da verkehrt, Herr Verkehrsminister?" fragt das Blatt devot und lässt seine Leser dem Scheuer manierliche Fragen stellen.

Im Rahmen des Parlaments könnte die Opposition schon öffentliches Aufsehen erregen, wenn sie bei Scheuer-Reden den Saal verließe. Ihn im Bundestag einem Lügner zu nennen, würde einen Ordnungsruf kosten, zugleich aber Medien-Reaktionen bringen. Doch handzahm spielt man das Spiel mit und lässt Scheuer ungestraft von einer "bösartigen Kampagne" faseln, statt ihm ein faules Ei zu schenken, fliegend versteht sich. Scheuer verarscht das Parlament ungestraft und eine höfische Opposition meldet sich aus der öffentlichen Debatte faktisch ab. Auch so kann man die bürgerliche Demokratie beerdigen.

Daniela Dahn und die feindliche Übernahme der DDR

Lesung und Gespräch mit Daniela Dahn
"Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute"
Moderation Uli Gellermann
Buchhändlerkeller Berlin
Carmerstraße 1 

Am 15. 10. 2019, um 20:30 Uhr

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Zu diesem Verhalten passt auch das Wegtauchen aus dem BER-Skandal. Scheuer bzw. sein Ministerium und sein Vorgänger als Minister persönlich sitzen bzw. saßen im BER-Aufsichtsrat, der seine Aufsichtspflicht bis zur Lächerlichkeit verletzt hat. Die...

Zu diesem Verhalten passt auch das Wegtauchen aus dem BER-Skandal. Scheuer bzw. sein Ministerium und sein Vorgänger als Minister persönlich sitzen bzw. saßen im BER-Aufsichtsrat, der seine Aufsichtspflicht bis zur Lächerlichkeit verletzt hat. Die CSU-Minister hat man nie in diesem Zusammenhang erwähnt, immer nur die Berliner und Brandenburger Aufsichtsräte.

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Harald Loch
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Das Parlament nimmt sich selbst nicht ernst. Dieses Verhalten macht Platz für die Demokratieverächter. Selbst jene, die der bürgerlichen Demokratie nicht gewogen sind finden in ihr Spielräume. Aus jedem guten Spiel kann ernst
erden.

Verena Zimmer
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Da ist in Deutschland wie in die ganze EU: Das Parlament macht einen Witz aus sich selbst. Und wird so überflüssig. Die merken gar nichts.

Piet van Loenen
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Im Westen nichts Neues in diesem heiligsten aller Rechtsstaaten. Sind die Skandale eigentlich noch zählbar? Anzunehmen, dass Scheuer ordentlich geschmiert worden ist, das würde dem Ganzen die Krone aufsetzen.

Hanna Fleiss
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Lieber Uli Gellermann,
zu den von Ihnen beschriebenen Vorgängen fällt einem aufgeklärten Marxisten nur eines ein: Ein Lehrstück in Sachen parlamentarische Demokratie!

Otto Bismark
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Man könnte auch die berechtigte Frage nach dem Lesen des interessanten und klasse recherierten Artikels stellen, wer "denn die Kontrolleure kontrolliert?"
Ein schmerzlicher Rest bleibt übrig von dem was eine Demokratie hätte werden können, sollen...

Man könnte auch die berechtigte Frage nach dem Lesen des interessanten und klasse recherierten Artikels stellen, wer "denn die Kontrolleure kontrolliert?"
Ein schmerzlicher Rest bleibt übrig von dem was eine Demokratie hätte werden können, sollen und müssen nach Faschismus und Krieg.
1989/91 war der Startschuss für Kapital und ihre ewigen Handlanger in der Politik. Was das für die Gesamtgesellschaften für die Welt bedeutet davor haben kluge Köpfe und Herzen eindringlich gewarnt. Der Neoliberalismus, Keynes, Hayek und andere sogenannte Theoretiker haben Marx, Engels, Lenin aus den fortschrittlichen Universitäten verbannt. Privat vor Staat hat sich durchgesetzt und der mit seiner mit Brisk eingeschmierten Pomadenfrisur ist ein gutes Beispiel dafür, woran sich die Wirklichkeit eines Parlamentes zeigt, nämlich, dass sich dort ein Haufen von überzahlten, dümmlichen, korrupten, skrupellosen, kaltblütigen und menschenfeindlichen Verächtern finden lässt, die auf den Schultern derer stehen, die sie am meisten verachten derer auf deren Schultern sie stehen, die sie am meisten verachten: Es sind die Ärmsten der Armen, die gewürgt sind und werden und deren soziale Verzweiflung einem das Herz schwerer macht, denn Armut hat kein Gesicht.
Scheuer und Konsorten schon. Das Parlament ist eine Welt für sich, mit eigenen Regeln, eigener Sprache, verschiedenen Interessen usw. Was sie allerdings eint ist, dass sie ihren warmen, kuscheligen Sessel, die verstellbar sind um jeden Preis behalten wollen. Ihre Bezüge beten sie regelmäßig mögen bitte lange, lange sprudeln und sich möglichst auf wundersame Weise ohne wirkliche Arbeit vermehren. Wie wunderbar, dass es hochbezahlte und korrupte Berater gibt. Scheuer ist eine besonders übles Exemplar von Parlametarier der nie einen Hehl, wie auch die Weinkönigin Klöckler aus seiner Nähe zur Wirtschaft gemacht hat. Der weiß wo ihm die bayrische Wurschtsemmel am besten mundet. Dass der Steuerzahler zu latzen hat, darum geht es bei allen Verträgen die abgeschlossen werden, denn das System muss erhalten werden und das setzt voraus, dass egal wieviel Scheiß gemacht wird immer die Gesellschaft den Preis zu bezahlen hat.
Die schlaffe Opposition ist lange im System angekommen und sorgt sich mehr um "Jeder ist sich selbst der Nächste" getreu dem Motto des Neoliberalismus um ihr eigenes Wohl und Leben. Charakterschwach, armselig und glattbegügelt vom System. Was wären diese Leute, wo viele noch nie wirklich gearbeitet haben ohne all die Vergünstigungen, all die zusätzlichen Speichellecker, die sie hofieren, ihnen den Bauch oder auch mehr pinseln ?
Was sind das für Weicheier, für Dünnbrettbohrer, für Schleimer und feige Stinkstiefel.
Es sind die Macht- und Kräfteverhältnisse, die sich zugunsten von Kapital und Politk verschoben haben. Mittlerweile brauchen sie auf nichts und niemanden mehr Rücksicht nehmen
Die Schlaffheit in den Gesellschaften und der Mangel an echter Solidarität, dem Menschen ein Mensch zu sein, ihm die Hand zu reichen, wenn er fällt, dass er wieder aufstehen kann und nicht in widerlicher Weise nachzutreten, wie heute oftmals üblich ist einfach den Mitmenschen zu ignorieren.
Vereinzelung und Individualisierung sind brandgefährlich, dass kann man da erkennen wo die hocken die sich nie um den nächsten Tag sorgen müssen: In den Parlamenten und Chefetagen sitzen die Profiteuere in deren Wohnviertel ganz sicher keine geflüchteten Menschen leben, die aber lauthals moralisieren wenn es zu verständlichen, sozialen Spannungen kommt. Heuchler ! Die grünen Kriegstreiber. Ihre unsägliche Geschichte, die mit sexueller Gewalt an Kindern zu tun hat ist aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden: Leider !
Eine LINKE ist gefragt die rücksichtslos aufklärt, die angreift, die sich klar positioniert und vor allem etwas riskiert. Da liegt eine der Möglichkeiten verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen.

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Ullrike Spurgat
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ZUR VERTONUNG FREIGEGEBEN

Eingefahren in die Scheuer
Wurde reichlich und auch teuer,
Großzügig nach Gutsherrnart.
Grünes Licht auf allen Pisten!
Schranken auf für Lobbyisten!
Parlament wünscht gute Fahrt.

Lutz Jahoda
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Ein schmieriger Automobil-Lobbyist wie Scheuer als Minister im Bund (und man könnte noch erwähnen: und wie ein Kretschmann im Ländle), die Unantastbarkeit von Dingen wie Dienstwagenprivileg, steuerliche Diesel-Besserstellung, unsinnige...

Ein schmieriger Automobil-Lobbyist wie Scheuer als Minister im Bund (und man könnte noch erwähnen: und wie ein Kretschmann im Ländle), die Unantastbarkeit von Dingen wie Dienstwagenprivileg, steuerliche Diesel-Besserstellung, unsinnige KFZ-Besteuerung die übermotorisierte Hubraummonster und Spaßvielfahrer schont, Ausbau der Straßen und Lkw-Infrastruktur zur Erhöhung der Transportleistungen und als Aufmarschwege der NAhTOd-Armee gen Osten, immer mehr Internet-Handel und Bringdienste bis an die Tür - ohne irgend eine politische Reaktion auf die immer weitere Steigerung des Verkehrsaufkommens auf den Fernstraßen und in den Städten, ...

und gleichzeitig ein Klimapaket auf den Schultern der Steuerzahler packend diese in der Alternativlosigkeit von Heizen-müssen wenn man nicht frieren will und Autofahren-müssen wenn man nicht Hartz4-bestraft werden will, und somit wie immer die Zeche für das weiter Aufklaffen der Arm-Reich-Schere auf die Schultern des Kleinen Mannes gepackt.

So geht Politik nur, weil das System verhindert, dass wirkliche Alternativen aufkommen können. Die Milliardärs-Phalanx mit ihren Stiftungen, Thinktanks und NGOs verhindert jegliche Abweichung nach links und setzt bei Gefahr zur Not immer auf Rechts.

Nichts, was es positiv konnotiert in die Mainstream-Medien schafft ist für uns Bürger als Gesamtheit gut - aber natürlich immer für die Milliardärs-Blase und deren Pläne und Strategien wohl. ... und das sollte mal ein paar Naivlingen endlich zu denken geben.

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Albrecht Storz
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Chapeau, sehr geehrter Herr Gellermann, für Ihren Mut, die Volte gegen Scheuer mit dem Hinweis auf seine Frisur zu eröffnen. Zwar hat man uns gelehrt, dass Kritik sich nicht an Äusserlichkeiten aufhängen sollte - und das ist richtig so. Doch wir...

Chapeau, sehr geehrter Herr Gellermann, für Ihren Mut, die Volte gegen Scheuer mit dem Hinweis auf seine Frisur zu eröffnen. Zwar hat man uns gelehrt, dass Kritik sich nicht an Äusserlichkeiten aufhängen sollte - und das ist richtig so. Doch wir sind alt genug, die Zeiten miterlebt zu haben, wo der Rasiermesser scharfe Haarschnitt unserer 'Voorfathers' unter die NAZI-Kappe passte - woraufhin wir uns 'Woodstock-long' zulegten. Aus schierem Protest halt. Um dann selber auch zu erkennen, dass der 'Look', weder der 'In' noch der 'Out', Gewähr dafür bot, dass unter dieser 'Haube' der 'neue linke Geist' von nun ab auf Ewig wirksam werde.

Und schon vor Jahren trauerten wir mit Günther Amendt dem Niedergang dessen hinterher, was mal das Credo der 1968er war.
Wir 'erlebten' Schröder/Joschka beim 'Jugoslawienkrieg' - und erbrachen
uns am Wegesrand!

Und je mehr dieser 'Neolib-Kapitalismus' immer häufiger und heftiger 'gegen die Wand fährt', die 'fake-devices' die Schnappatmung dieses Systems offenbaren, desto mehr erinnert auch das auftretende Personal an die zunehmend kriminelle Schmiere dahinter. (vgl.. Adults in the Room, Costas Gavras; über die 'Griechenlandkrise')
Bei aller Unvergleichbarkeit: Gegenüber den heutigen Möglichkeiten der
medialen Beeinflussung mutet die 'braune Verkleidung' des Faschismus
geradezu albern an. Ne c'est pas?

Und so dümpelt auch die Politik in de
m Milieu herum, die mit IT und Digital
-world nur unzureichend bezeichnet ist: Wo, um des Überlebenswillen, ist
'the way out', der mehr als das simple Clicken auf den Like-Button wirksam ist.
'The number you dialled is currently not available'---und DU hängst in der
Warteschleife.

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Ralph Höpfner
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Danke für die Erinnerung an den Abend mit Daniela Dahn!

Greta Dinkelbach
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Aber gern.

Uli Gellermann
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