Im Rheinland nennt man so einen wie den Rösler einen Tünnes. Das ist jemand, der völlig unernst vor sich hin quatscht, ohne jede Verantwortung und Perspektive Vorschläge macht und seine eigene rote Nase für eine wegweisende Laterne hält. Ein Tünnes also. Aber nehmen wir den Tünnes Rösler einmal ernst, aus pädagogischen Gründen. Nicht weil Rösler lernfähig wäre. Aber vielleicht glaubt dieser oder jener doch, dass Privat mehr kann als Staat, dass man Staatsbetriebe wie die Deutsche Bahn oder die Flugsicherung privatisieren solle, weil das Geld in die Staatskassen bringt und diese Betriebe dann herrlichen Zeiten entgegensehen würden. Deshalb, zum Jahreswechsel, ein kleiner Rückblick auf die privaten Erfolgsbilanzen.

Selbst schwerste Liberal-Amnesie kann kaum vergessen machen, dass die höchst privaten europäischen Banken die Staatengemeinschaft seit 2008 jede Menge Geld kosten und weitere Milliarden kosten werden. Angesichts der Finanzkrise darf man feststellen, was Privat besser kann: Zocken und Verzocken, sich aus jeder Verantwortung schleichen und riesige Gehälter für monströse Fehler einstecken. Eine Leistung, die volkswirtschaftlich nur dem Betrüger als nützlich erscheint. Noch muss die Deutsche Bank nicht aus ihren jüngsten Skandalen gerettet werden - die Rettung der Banken ist allen Wirtschafts-Waisen, von Merkel über Steinbrück bis Trittin, weiterhin das heilige Finanzdogma - aber die private Commerzbank sitzt immer noch auf staatlichem Rettungsgeld und ihre Aktie sackt munter weiter runter. Ein Verkauf à la Rösler würde das dort investierte Steuergeld auf immer verschwinden lassen. Dass der Kurs der Telekom-Aktie nach Röslers Ausverkaufsankündigung ebenfalls in den Keller ging, versteht sich: Was schreiend auf dem Markt angepriesen wird, gilt als billig. Der sogenannte Wirtschaftsminister hat mit seiner Privatisierungsforderung also erstmal den Wert des Staatsbetriebes gesenkt.

Den Traum, die Deutsche Bahn zu privatisieren, träumten einst auch Sozialdemokraten und Grüne in der Schröder-Fischer-Zeit. Ihr kleiner König Mehdorn sollte den Börsengang vorbereiten und das Meisterstück der Marktfähigkeit abliefern. Obwohl die britischen Eisenbahnen durch die Privatisierung ins technische und volkswirtschaftliche Elend getrieben worden waren, übernahm auch die CDU-SPD-Koalition den Albtraum, um ihn dann erst in der Bankenkrise abzusagen. An den Mehdorn-Folgen leidet heute immer noch die Berliner S-Bahn: Zur Aufbesserung der Bahn-Bilanz wurden die notwendigen Reparaturen auf jenes Minimum gesenkt, das der S-Bahn heute mehr Ausfälle als zu ihren DDR-Zeiten beschert. Pikanterweise leitet Mehdorn heute mit Air Berlin einen der Konzerne, die sich am Dogma des "nur-größer-ist besser" verschluckt haben: Nach der fremd finanzierten Übernahme der Deutschen British Airways, der LTU und der Schweizer Belair AG geriet die höchst private Air Berlin derart ins ökonomische Trudeln, dass eine Bruchlandung bis heute nicht auszuschließen ist.

Privat kann es einfach besser, wird auch der General Motors Autokonzern sagen. Der vernichtet mit der Schließung des Opel-Werks in Bochum aus purer Willkür eine paar Tausend Arbeitsplätze, weil er Opel nicht auf dem asiatischen Markt verkaufen lässt. In der deutschen Arbeitsplatzvernichtung ließ sich im abgelaufenen Jahr Anton Schlecker nicht übertreffen. Er gilt auch als Meister der Vermögensverschleierung: Seine privaten Milliarden sind einfach mal weg. Das deutsche Musterunternehmen Siemens kann notwendige Eisenbahn-Züge nicht pünktlich liefern, sein Börsengang der Firmen-Tochter Osram fiel ins Wasser, und der Zu-Kauf des Solarunternehmens Solel wird schnell wieder zum Ver-Kauf: Verluste sind sicher. Spitzenkönner des Miliardenverbuddelns, nächst den Banken, war 2012 Thyssen-Krupp. Das Unternehmen hat jede Menge Geld bei Fehlkäufen in Brasilien und den Vereinigten Staaten in den Sand gesetzt. Macht nix, sagen sich die Thyssen-Krupp-Bosse. Wir haben ja noch das prima Kartell für Schienen und Weichen, das der Deutschen Bahn diese Produkte überteuert verkauft. Solange die Bahn staatlich bleibt, werden unsere Verluste vom Staat ausgeglichen: So geht Privat.

Nun wird der kundige Verteidiger der Entstaatlichung zwei unendliche staatliche Baustellen in die Debatte werfen: Den neuen Flughafen in Berlin-Brandenburg, der jeden Tag älter aussieht und die Elbphilharmonie in Hamburg, von der man seit Jahren keinen einzigen Ton hört. Auch die staatlich organisierte Menschen- und Werte-Verschleuderung durch Kriege ist des Nachdenkens wert. Zu den Kriegen weiß man, dass sie privaten Interessen dienen: Von der Öl- bis zur Waffen-Industrie, der Krieg ist für manche ein gutes Geschäft. Auch an den genannten Baustellen wird privat nicht schlecht verdient. Wer seinen Staat machen lässt was er will, wer den Besitz am Staat den Lobbyisten und ihren Brüdern und Schwestern in Parlament und Regierung überlässt, der darf sich nicht wundern. Oder wundert es jemanden, dass der heutige Anti-Banken-Kämpfer Steinbrück in seiner Finanzministerzeit der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer mehr als 1,8 Millionen Euro zugeschanzt hat, damit die an den Gesetzen zur Bankenrettung mitwirkten? Schließlich war die Kanzlei wesentlich für Banken tätig, die wusste wie man rettete. Macht nix sagt sich der SPD-Wähler (gilt auch für andere), damals war damals, heute ist heute, oder?

So bleibt die deutsche ökonomische Diskussion auf dem Niveau einer Karnevals-Sitzung: Draussen steht ein Rettungsschirm, wollen wir den reinlassen, fragt die Sitzungsleiterin, die Kapelle spielt Rättatä, Rättätä und in der Bütt steht einer mit der roten Nase, der nicht weiß, dass es sich bei seinem Riechorgan nur um die rote Laterne des intellektuellen Schlusslichtes handelt.

Kommentare (11)

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Das ist mir ja so was von aus der Seele geschrieben... (kanns nur nicht so gut wie Du) - aber ich frage mich allen Ernstes: sind wir nur zu WENIGE, die das so sehen oder WOLLEN es die Mehrzahl der Menschen einfach nicht sehen?
Ra(d)tlos vor dem...

Das ist mir ja so was von aus der Seele geschrieben... (kanns nur nicht so gut wie Du) - aber ich frage mich allen Ernstes: sind wir nur zu WENIGE, die das so sehen oder WOLLEN es die Mehrzahl der Menschen einfach nicht sehen?
Ra(d)tlos vor dem Jahreswechsel sende ich Grüße.

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Heidi Schmid
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Was den Rösler anbetrifft: Der ist zur Zeit in einer Minderheit. Die Metamorphose von Steinbrück allerdings wird offenkundig von noch wenigen durchschaut. Aber es ist Hoffnung: Immerhin haben sich Sozialdemokraten vor geraumer Zeit in Form der...

Was den Rösler anbetrifft: Der ist zur Zeit in einer Minderheit. Die Metamorphose von Steinbrück allerdings wird offenkundig von noch wenigen durchschaut. Aber es ist Hoffnung: Immerhin haben sich Sozialdemokraten vor geraumer Zeit in Form der WASG von der Schröder SPD getrennt, es müssen ja nicht die Letzten gewesen sein.

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Uli Gellermann
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Der kleine Rösler spielt doch keine Rolle. Seine Resonanz ist bisher nur negativ. Mit dem muss man sich nicht aufhalten.

Gerry Winter
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Mal wieder ein RATIONALGALERIE-Text der es in sich hat. Solche Texte will ich auch 2013 lesen! Ist das klar?

Karl-Heinz Schröder
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Darf ich Sie auf einen Tip-Fehler aufmerksam machen? Wirtschafts-Weise schreibt man mit "ei" nicht mit "ai".

Hans-Werner Mewissen
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Gemeint sind hier die sprichwörtlichen "Waisen-Knaben", die keine Ahnung haben.

Uli Gellermann
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Rösler ist doch längst politisch tot. Sie sollten sich nicht an einer Leiche vergreifen.

Rüdiger Fahrenkamp
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In den zurückliegenden Jahren konnte ich bei der Rationalgalerie keine nennenswerte Urlaubslücke feststellen. Ich hoffe, derlei reisst auch 2013 gar nicht erst ein!. Ihrem Team beim Nichtpausieren alles Gute.

Rüdiger Becker
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Zu meiner großen Freude wurde mir unverhofft 2012 und mehr
zufällig ein großes Geschenk zuteil - nämlich der Kontakt zur
RATIONALGALERIE - (grazie mille - Friedhelm B.!!!!)

Und so möchte ich Dir, lieber Uli Gellermann, wirklich auch 1000 mal
d...

Zu meiner großen Freude wurde mir unverhofft 2012 und mehr
zufällig ein großes Geschenk zuteil - nämlich der Kontakt zur
RATIONALGALERIE - (grazie mille - Friedhelm B.!!!!)

Und so möchte ich Dir, lieber Uli Gellermann, wirklich auch 1000 mal
danken für diese Deine unermüdliche Arbeit, damit Du auch
künftig in dem unermüdlichen Stil weitermachen mögest und
somit mir - wie sicher auch vielen anderen Menschen ein "Roter Faden"
- i.S. von Orientierung - sein kannst, ein hilfreicher "Navi" in diesen
unmenschlichen Zeiten...

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Brigitte Mensah Attoh
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Röslein gelb

Sah das Wahlvolk Rösler steh'n
auf den gelben Seiten,
konnte ihm die Lust vergeh'n,
es war kaum mit anzuseh'n.
seine Widerwärtigkeiten!
Rösler, Rösler, Rösler – gelb,
stolz auf seine Pleiten.

Sprach das Volk:"Nun brabbel nicht,
können...

Röslein gelb

Sah das Wahlvolk Rösler steh'n
auf den gelben Seiten,
konnte ihm die Lust vergeh'n,
es war kaum mit anzuseh'n.
seine Widerwärtigkeiten!
Rösler, Rösler, Rösler – gelb,
stolz auf seine Pleiten.

Sprach das Volk:"Nun brabbel nicht,
können's nicht mehr leiden!",
Rösler sprach: "Ich zappel schlicht,
weil's als Philipp meine Pflicht.
Braucht mich gar nicht drum beneiden".
Rösler, Rösler, Rösler – Held!
Musst halt von uns scheiden.

Sah'n wir dann den Rösler geh'n
ohne Tafelsilber,
kam der Steinbrück, nicht so schön,
konnte auch nicht widersteh'n:
Bahn und Post, wird alles gilber!
Rösler, Rösler, Rösler, – help!
"Können wir schon selber."

nach dem Original aktualisiert von Wolfgang Blaschka

Melodie: Franz Schubert, 1815 (1797-1828)
Originaltext: Johann Wolfgang von Goethe, 1771 (1749-1832)

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Wolfgang Blaschka
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Wenn uns heute die vielgepriesene deutsch-kapitalistische Gründlichkeit von einer Katastrophe in die nächste schlittern läßt, möchte ich manchmal ausrufen: Wir wollen unsern alten Günter Mittag wiederham!

Georg Bach
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