Wie, Sie haben schon alles? Auch schon den Pass von "St. Kitts und Nevis", dem Steuerparadies in der Karibik? Nur drei Flugstunden von Miami im US-Bundesstaat Florida entfernt. "Saint Kitts and Nevis" bietet bereits seit 1984 ein "Staatsbürgerschaft-gegen-Investment-Programm", so steht es auf der Website des Inselstaates. Wer auf den Tropeninseln 400.000 Dollar für eine Immobilie auf den Tisch legt und zusagt, sie mindestens fünf Jahre zu behalten, der bekommt einen Pass. Alternativ können reiche Asylsuchende dem Staat auch 250.000 Dollar spenden. Lebenslänglich steuerfrei: Das wäre doch was für Sie, oder?

Wie, Du hast nix? Schon über 50, nach über 2.000 Bewerbungen und 200 Gängen zum Amt mit dem schicken Namen Job-Center. Da hast Du immer noch keinen Job, kein Geld, keine Zukunft? Dann hast Du eben auch lebenslänglich bekommen, lebenslänglich Urlaub. Davon können andere nur träumen. Denn auch der Bewohner von St. Kitts muss immer noch zu Terminen: Mit seinen Anwälten zum Beispiel, seinen Banken. Du musst nur dann und wann mal zum Amt, der arme Mann auf St. Kitts muss noch richtig hart arbeiten.

Schon das leidige Kaufen-Müssen ist für den auf St. Kitt eine schwere Last. Sagen wir mal, er will einen Burberry kaufen, Du weißt schon, den legendären Mantel mit den berühmten Streifenquadraten auf dem Innenfutter. Dann bekommt er neuerdings während der neunwöchigen Produktion ständig Originalskizzen und kleine Videos aus dem Produktionsprozess auf das Smartphone. Muss er gucken, sonnst kann er nicht mitreden. Wenn er wollte, könnte er sich sicher auch eine Homestory über die chinesische Näherin bestellen, die mit ihren kleinen gelenken Fingerchen ohne Pause den Stoff steppt. Am besten würde er sich deren wunde Finger in der "Shipwreck Beach Bar" an der Friars Bay auf St. Kitt auf dem Display ansehen. Will er aber nicht. Obwohl: Nirgendwo ist der Kontrast zwischen dem sauren Schweiß der Näherin und dem süßen Schweiß reicher Langeweile besser zu genießen als dort.

Du mit Deinem glücklichen Arbeits-Los solltest unbedingt die "Virtuel-Shopping-Tour" machen. Unbeschwert von einer lästigen Kaufentscheidung schlenderst Du durch die Kaufwelten der Innenstadt. Dein erhabener Blick auf eine Rolex mit Diamanten sagt: Nie würdest Du so einen Zuhälterdreck kaufen wollen. Auch den neuen BMW X 5 Allrad für schlappe 90.000 Euro lehnst Du wegen seines unsäglich plumpen Hecks ab. Fettarsch-Karre sagst Du, und niemand weiß, ob Du das Auto oder dessen Besitzer-Typ meinst. Und während Du fröhlich flötend weiter gehst, brütet der Mann auf St. Kitt über dem nächsten Problem.

Weil der Kitt-Man nun mal zur Gattung der "Early Adopters" gehört, jenen, die immer alles als erste haben müssen, telefoniert er durch die Welt, um als wirklich erster das neue Hovercraft-Golf-Cart zu bekommen: Auf Luftkissen über den Royal-St.-Kitt-Golf-Club, für lächerliche 60 000 Dollar: Das bringt es. Leider will seine Freundin unbedingt einen ganz besonderen Verlobungsring, den mit einem 100,2-Karat-Diamanten. Den gibt´s bei Sotheby’s in Los Angeles. Die Auktion ist bald, man denkt an 20 Millionen Dollar. Da muss der Mann schon selbst zur Versteigerung. Lästig.

Einmal, da hattest Du nicht nur noch Arbeit sondern auch die extrem weiten Hosen mit Schlag an, da hast Du auch `nen Verlobungsring gekauft. Den hast Du damals der Claudia übergestreift, in der Flamingo-Bar am Markt. Die ist längst weg. Claudia auch. Aber die vielen anderen Kneipen, die Du in den Jahren mit Arbeit und Kohle besucht hast, die könntest Du Dir mal wieder ansehen. Nicht reingehen, versteht sich, besser hingehen wenn sie geschlossen sind. Den kalten Geruch von Alkohol und Zigaretten einatmen. Sich erinnern. An die lauten, fröhlichen Abende. Als man Dir einen ausgab, den Schnaps, den Du annehmen konntest, weil Du selbst auch mal einen ausgegeben hast. Nennen wir es einfach den Bar-Remember-Run, Kneipen-Erinnerungs-Marsch klingt so billig.

Schwere Sorgen macht sich unser Mann auf St. Kitt. Gerade hat er „Les Femmes d’Alger“ erworben, so ein Picasso-Gemälde. Das hat ihn bei einer Versteigerung im New Yorker Auktionshaus Christie's rund 160 Millionen Dollar gekostet. Hängen will er das Bild nicht. Die feuchte Luft in St. Kitt schadet nur. Außerdem soll es sicher rumliegen, der Wertsteigerung wegen. In fünf Jahren kann es 200 Millionen Dollar und mehr bringen. Wohin also damit? Gottseidank gibt es die "Freeports" in Singapur. Da lagern für ungefähr 4.000 Milliarden US-Dollar Kunstgegenstände aller Art. Die "Freeports" liegen direkt neben dem Flughafen. Kurze Wege zum Freihafen. Das ist die Freiheit, die unser Kitt-Man meint, wenn er von Freiheit redet.

Solche Sorgen hast Du weniger. Aber die Brosche von Deiner Großmutter, die hast Du auch gut versteckt. Vor Dir selbst. Auf der Sonntagsbluse von Oma saß sie damals: Rote Granatsteine, Flussperlen und vergoldete Bronze. Die könnte glatt `nen Hunderter bringen, wenn Du Sie verkaufst. Das gäbe mehr als 15 Päckchen Zigarettentabak, Javaanse Jongens. Die rauchst Du doch so gern. Aber Oma, die Brosche von Oma? Nee, die bleibt versteckt. Die holst Du nur raus, wenn Du mal heulen möchtest. Weihnachten oder so. Zu Weihnachten ist Heulen in Ordnung. An anderen Tagen mag Zähneknirschen angesagt sein. Zähne zeigen wäre besser.


RUFMORD
Die Antisemitismus-Kampagne gegen Links
Uli Gellermann präsentiert das neue Buch von Wolfgang Gehrcke
Am Mittwoch, 27. Mai 2015, um 18.30 Uhr
Im Karl-Liebknecht-Haus, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin
Rosa-Luxemburg-Saal.

Kommentare (14)

Einen Kommentar verfassen

0 Zeichen
Leserbriefe dürfen nicht länger sein als der Artikel
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen
Gib den Text aus dem Bild ein. Nicht zu erkennen?
This comment was minimized by the moderator on the site

Wunderbarer Beitrag!

Interessant, welch hehre Staatswesen inzwischen ihren Pass an den (reichen) Mann bringen. Les´ ich doch grade in der Wiki dieses: "Im Dezember 2008 entschied die Regierung (von St. Kitts & Nevis, wg), wieder die Todesstrafe...

Wunderbarer Beitrag!

Interessant, welch hehre Staatswesen inzwischen ihren Pass an den (reichen) Mann bringen. Les´ ich doch grade in der Wiki dieses: "Im Dezember 2008 entschied die Regierung (von St. Kitts & Nevis, wg), wieder die Todesstrafe vollstrecken zu lassen, indem der wegen Mordes verurteilte Charles Elroy Laplace gehängt wurde. Damit versuchte die Regierung, die hohe Verbrechensrate zu bekämpfen, die St. Kitts zu einem der Länder mit den meisten Tötungsdelikten pro Einwohner (2008: 45 Tötungsdelikte pro 100.000 Einwohner[9]) macht."

Ich empfehle dem neuen Staatsangehörigen, sollte er sich dennoch auf die Straße wagen wollen, einen sorgsam zerfledderten Burberry (gibt es sicher gegen Aufpreis) über verblichenem T-shirt mit Bildnis des Doktor M.L. King, die Schuhe seines Gärtners, dunkles make up und eine nach hinten gekehrte Golfmütze fortgeschrittenen Baujahrs. Die rosafarbene FT wird er wohl ohnehin nicht in der Strandbar entfalten.

Herzlichst, Wolf Gauer, São Paulo

Weiterlesen
Wolf Gauer
This comment was minimized by the moderator on the site

Die Luxus-Story ist zwar vergnüglich, aber sie ist doch sicher von hinten bis vorne erfunden. Von der preiswerten Staatsbürgerschaft bis zum Burberry, der mit dem Käufer redet: Alles eine Gellermann-Phantasie. Oder?

Jörg Schlesinger
This comment was minimized by the moderator on the site

Mahnmal ist die Wirklichkeit an Idiotie nicht zu übertreffen. Hier ist die Staatsbüprgerschaft zu lesen:

http://www.stkittsnevispassports.com/citizenship-program

Und auch der kommunizierende Buberry ist der Realität aus den Rippen geschnitten:

htt...

Mahnmal ist die Wirklichkeit an Idiotie nicht zu übertreffen. Hier ist die Staatsbüprgerschaft zu lesen:

http://www.stkittsnevispassports.com/citizenship-program

Und auch der kommunizierende Buberry ist der Realität aus den Rippen geschnitten:

http://lmg-management.de/2014/02/wie-definiert-sich-luxus-heute/

Das Video mit der Näherin ist allerdings das soziale Additiv.

Weiterlesen
Uli Gellermann
This comment was minimized by the moderator on the site

Es gibt einfach „Dinge“, die sind auch nach Jahrzehnten noch so frisch, so brennend, so schmerzlich, so eklig und so ohnmächtig machend wie sie es am ersten Tag der frühen, bei Vielen noch kindlichen Bewusstwerdung waren, dass Armut und Reichtum...

Es gibt einfach „Dinge“, die sind auch nach Jahrzehnten noch so frisch, so brennend, so schmerzlich, so eklig und so ohnmächtig machend wie sie es am ersten Tag der frühen, bei Vielen noch kindlichen Bewusstwerdung waren, dass Armut und Reichtum doch keine Gott gegebene Ordnung abbilden. Vielleicht kam ja ein wunderbarer deutscher Dichter bei den einen und anderen schon so früh verwirrten jungen Köpfen und Herzen vorbei und schob ein kleines Zettelchen mit einem Kindergedichtchen unter der Kinderzimmertür durch, auf dem zu lesen stand:
Reicher Mann und armer Mann
standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich
Und plötzlich war die Welt dieses und des anderen Kindes nicht mehr die, die sie vorher war: Plötzlich stand das Urprinzip des Kapitalismus, lange noch bevor dieser sperrige Begriff überhaupt Zugang ins Denken finden sollte, so schlicht, so banal und so brutal auf diesem Brecht’schen Zettel geschrieben und alles Pfaffengeschwätz zerfiel zu erbärmlich verlogenem Staub.
Vielleicht warst du, lieber Uli, eines von diesen Kindern, das dann schon sehr früh diese Ohnmacht, dieses schmerzliche Brennen und diesen Ekel in sich fühlte, den der erste bewusste Kontakt mit dem von Menschen gemachten Unrecht in eine junge Seele brennt.
Und heute, Jahrzehnte später, schreibst du diese bittere Anklage – und nichts hat sich verändert: Nicht in der Welt, im Gegenteil, nichts in deinem Herzen. Es sind mit den Jahren die Ironie, der satirische Strich dazugekommen, um das Unerträgliche zu mildern. Aber es ist nicht zu mildern und in dir ist die Ohnmacht, ist das schmerzliche Brennen und in dir ist der Ekel so frisch wie an jenem Tag, als auch dir wahrscheinlich jener deutsche Dichter dieses kleine Gedichtchen unter der Tür ins Kinderzimmer schob.
Das ist beides im selben Moment: Schrecklich und wunderbar!

Weiterlesen
Reyes Carrillo
This comment was minimized by the moderator on the site

Eine sehr lebensnahe Geschichte, ja es gab mal Zeiten da fehlte sogar das Gespräch beim Personalchef über die Höhe des Lohns, der war immer OK und reichte zum Leben nicht nur aus, man konnte sich auch mal einen Theater Besuch gönnen, ich denke...

Eine sehr lebensnahe Geschichte, ja es gab mal Zeiten da fehlte sogar das Gespräch beim Personalchef über die Höhe des Lohns, der war immer OK und reichte zum Leben nicht nur aus, man konnte sich auch mal einen Theater Besuch gönnen, ich denke das war die Zeit mit den weiten Hosen, am Muttertag neulich lud ich die Schwiegermutter und Frau in das Auto um mal ordentlich Essen zu gehen, es gab in einer gut Bürgerlichen Gaststätte eine Spargelsuppe und Zwiebelfleisch mit Kartoffeln an einer scheibe Tomate gelehnt, etwas Eis zum Nachtisch, 2 Wasser und 1 Bier und 80 Euro inklusive etwas Trinkgeld, man gönnt sich ja sonst nichts, waren weg. Das fällt für die von mir geschätzten 15 Millionen Arbeitslosen, die 1 Euro-Jobber und die Ehrenamtlichen inbegriffen, die Väter und Mütter die ein Kind groß ziehen gelten ja auch nicht als Arbeitslos in den Statistiken, werden sich so etwas nicht leisten können. Die Minnijobber und Zeitarbeiter wahrscheinlich auch nicht. Da hat es unser Mann auf St. Kitts schon besser, wir brauchen wieder weitere Hosen weil wir alle nicht aufgepasst haben als wir den Gürtel enger schnallen mussten, wegen der alternativlosen Globalisierung, jetzt besteht die Hoffnung in guten Blogs wie diesen unser Grundgesetz samt Hosen wieder in die passende Form zu bringen, dazu gehören jedoch Verfassungsrichter und Bundesstaatsanwälte die den kriminellen Abschaum im Bundestag verhaften.

Weiterlesen
Ulrich Fiege.
This comment was minimized by the moderator on the site

Sie haben mit Ihrer Meinung völlig Recht Herr Gellermann. Der Herr Schlesinger hat vielleicht noch nichts von Max Frisch gehört:
Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit.

Die glaubt niemand.

Max Frisch, (...

Sie haben mit Ihrer Meinung völlig Recht Herr Gellermann. Der Herr Schlesinger hat vielleicht noch nichts von Max Frisch gehört:
Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit.

Die glaubt niemand.

Max Frisch, ( 1911 - 1991 ) schweizerischer Dramatiker und Prosaist

Weiterlesen
Kurt Wolfgang Ringel
This comment was minimized by the moderator on the site

Habe gelacht, als ich den Artikel las. Ja, so ist es. Aber St.Kitts and Nevis hat sicher auch noch andere Seiten. Aber das ist eine andere Geschichte. - Deine Moderation zu Gehrckes Buch "Antisemitismus..." finde ich sehr gut. Ich hatte schon auf...

Habe gelacht, als ich den Artikel las. Ja, so ist es. Aber St.Kitts and Nevis hat sicher auch noch andere Seiten. Aber das ist eine andere Geschichte. - Deine Moderation zu Gehrckes Buch "Antisemitismus..." finde ich sehr gut. Ich hatte schon auf der Website von PapyRossa und in den NACHDENSEITEN Hinweise auf das Buch gefunden.

Weiterlesen
Thomas Nippe
This comment was minimized by the moderator on the site

@ Thomas Nippe

Anders als Herr Nippe habe ich weinen müssen: An der Stelle mit der Brosche war es so weit. So verdammt viel Reichtum bei dem einen Prozent und soviel demütigende Armut bei den 99.

Margit Birkendonk
This comment was minimized by the moderator on the site

Ulrich Gellermanns Beitrag besser zu kommentieren, als dies Frau Reyes-Carrillo tat, wird mir nicht möglich sein. Auch Bert Brechts Vierzeiler ist nicht zu überbieten. Also bleibt mir nur noch Dank zu sagen und auf die traurige Wahrheit...

Ulrich Gellermanns Beitrag besser zu kommentieren, als dies Frau Reyes-Carrillo tat, wird mir nicht möglich sein. Auch Bert Brechts Vierzeiler ist nicht zu überbieten. Also bleibt mir nur noch Dank zu sagen und auf die traurige Wahrheit hinzuweisen, dass des Volkes Weisheit es eigentlich schon immer wusste, sonst gäbe es nicht das Sprichwort: "Armut ist des Reichen Kuh".

Weiterlesen
Lutz Jahoda
This comment was minimized by the moderator on the site

Ich kann mit diesem Gejammer nichts anfangen. Wenn ich jeden Tag so denken würde, könnte ich mit meinen paar Kröten nicht überleben.

Gerhard Griebner
This comment was minimized by the moderator on the site

Eine kranke Gesellschaft mit einer kranken Weltanschauung macht alle krank: Arme und Reiche, Arbeitslose und Arbeitende. -

In einer kranken Gesellschaft ist eines der großen Ziele: Arbeitslosigkeit.
Das hat Ernst Fritz Schumacher in "Small is...

Eine kranke Gesellschaft mit einer kranken Weltanschauung macht alle krank: Arme und Reiche, Arbeitslose und Arbeitende. -

In einer kranken Gesellschaft ist eines der großen Ziele: Arbeitslosigkeit.
Das hat Ernst Fritz Schumacher in "Small is Beautiful - A Study of Economics as if People Mattered" ("Klein ist Schön - Eine Studie der Wirtschaft als ob Menschen wichtig wären") schon vor Jahrzehnten wie folgt dargestellt:
1) Was will ein Unternehmer?
So viel Produktion wie möglich mit so wenig Arbeit wie möglich. Zuende gedacht: Produktion ohne Arbeit.

2) Was will ein "Arbeitnehmer"?
So viel Einkommen wie möglich mit so wenig Arbeit wie möglich.
Zuende gedacht: Einkommen ohne Arbeit.

- Das wäre eine sehr verkürzte Skizze der sozialen Erkrankung, ein Teil der Diagnose.
- Nun zur Therapie...

Weiterlesen
Benny Thomas Olieni
Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht
Lade weitere Kommentare