Es war ein verzweifelter Plan, der vor geraumer Zeit in einem sozialdemokratischen Hinterzimmer gehäkelt wurde. Kurz nach den Hamburger Wahlen saß man zusammen. Da stimmt doch was nicht, meinte der kleine Kreis: In Hamburg holt unser Olaf 45 Prozent und im Bund kommen wir kaum über 25 rüber. Ganz Deutschland muss Hamburg werden, sagte der eine der Spin-Doctors. Und der andere spann den Faden fort: Die nächsten Bundestagswahlen sind 2017, da muss unser Olaf als Kanzler kandidieren und wir gewinnen die Wahl. Aber der Dritte sprach: Sehet, die Merkel-CDU ist die bessere SPD geworden. Frau von der Leyen verteidigt genau so weit vorne wie der Hindukusch-Struck, der Innen-de-Maizière ist so rechtsaußen wie der das-Boot-ist-voll-Schily und unser Wolfgang Clement war damals genauso neoliberal wie heute der Sigmar Gabriel. Aber der ist doch von uns rief einer dazwischen. Ja eben, setzte der Dritte fort - warum sollten die Leute uns wählen?

Nach noch ein paar Proseccos, die man mit abgespreiztem kleinen Finger trank, kam wieder der Dritte zu Wort, der als der klügste galt, denn er hatte mal ein Buch von Michael Spreng gelesen, der dem Edmund Stoiber den Spin gedreht hatte: Wir müssen uns von der CDU unterscheiden, rief er in das Zimmer und lauter Beifall brandete auf. Doch dann schlich kalte Ratlosigkeit in den Raum: Wenn der Mitte-SPD-Platz schon von der CDU besetzt war und die LINKE den linken Platz besetzt hielt, wo sollte die arme SPD dann hin? Der Dritte Mann ließ nicht lange auf sich warten: Wir erobern die christliche Mitte! Längst hat die CDU durch ihre Modernisierung, ihre Anerkennung der Homo-Ehe, eine Geschiedene als Kanzlerin, die Wehrpflicht abgeschafft, die Atomkraftwerke kaltgestellt und mit einem Islam-Schmusekurs ihre alten, konservativen Ideale verraten. Wir müssen die Weichen anders stellen: Wenn die CDU unseren Platz eingenommen hat, dann nehmen wir deren Platz ein!

Und so kam es denn, dass Olaf Scholz, nur wenige Wochen nach der Wahl die Schirmherrschaft des "Kongress Christlicher Führungskräfte"* in Hamburg übernahm: "Herzlich Willkommen in Hamburg", sagte der Bürgermeister, "ich finde, die Stadt der ehrbaren Kaufleute an der Wasserkante ist genau der richtige Ort für den diesjährigen Kongress christlicher Führungskräfte." Da nickte Helmuth Matthies, einer der Organisatoren, begeistert. Er ist Chef des evangelikalen Verlages "idea". Der hält Abtreibung für "das größte Verbrechen der Gegenwart in Deutschland" und bezeichnet Homosexualität als Sünde. Der Verlag warnt immer wieder vor einer "Islamisierung" und ruft zur Missionierung von Muslimen auf. Matthies war ein Freund des südafrikanischen Apartheid-Regimes und warf der evangelischen Kirche vor, dort sei der Einfluss des „theologischen Neomarxismus“ immer stärker geworden.

Dieser Scholz-Auftritt kann natürlich nur der erste Schritt zur "Evangeliums Partei Deutschlands (EPD)" sein, meinte der Dritte. Der Kongress ist erst ein Anfang. Jetzt müssen wir für die Law-and-Order-Wähler mal daran erinnern, dass unser Olaf schon als Hamburger Innensenator die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln zur Beweissicherung bei Drogendealern eingeführt hat. Einer von denen ist dann prompt gestorben. Da kann nicht mal die CSU mit. Ganz wichtig: Unter Scholz als Bürgermeister sind die Gefahrengebiete im Schanzenviertel und den Stadtteilen St. Pauli und Altona-Altstadt eingeführt worden, Sonderzonen, in denen die Bürgerrechte abschafft waren. So was sichert uns die Lufthoheit über die Stammtische!

Fröhlichkeit breitete sich unter den versammelten EPDlern aus, sie riefen durcheinander: Und Sarrazin wird im Schattenkabinett Integrationsbeauftragter, und Steinbrück Fahrradbeauftragter - kleiner Scherz - die Manuela Schwesig hat sich schon vorsorglich taufen lassen und Thierse wird Hofprediger in der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale! Aber vor allem, mahnte der Dritte, müssen wir daran erinnern, dass unser Olaf schon SPD-Generalsekretär war, als die Agenda 2010 das Soziale aus dem Namen der SPD entfernte.

Die neue, christliche SPD, äh EPD, wird auch daran erinnern, dass der HERR gesagt hat, dass eher ein Kamel durchs Nadelöhr ginge als ein Reicher in den Himmel kommen könnte. Das ist die echte AGENDA! Wir machen da oben Platz für die Armen, während die Reichen unten bleiben müssen! Das ist unser christliches Sozialprogramm! - Andächtige Stille breitete sich aus: Die neue SPD als Platzanweiser für das Himmelreich, darauf muss man erstmal kommen.


* Der Kongress Christlicher Führungskräfte fand am 26. Februar 2015 in Hamburg statt.

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George Bush jun. sendet herzliche Glückwünsche zur Verlängerung der Achse des Guten und verspricht Spenden.

Hella- Maria Schier
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Kurzum - nach Mutti kommt Pappi und für alle die nach der vorgelagerten Tortur noch bei Verstand sind, bleibt Schreikrampf, Frust, Suff oder eine unterschwellige Sehnsucht nach Rambo.

Ideal für SPD und und CDU wäre, wenn Merkel und Scholz...

Kurzum - nach Mutti kommt Pappi und für alle die nach der vorgelagerten Tortur noch bei Verstand sind, bleibt Schreikrampf, Frust, Suff oder eine unterschwellige Sehnsucht nach Rambo.

Ideal für SPD und und CDU wäre, wenn Merkel und Scholz heiraten. Ein in jeder Hinsicht ideales Paar, bei dem alles in der Familie bleibt bzw. auch formell zur einzig "wahren", großen Partei führt, die nur noch aus gestutzten Flügeln besteht und tumbe Laute von sich zu geben vermag. Und genau diese werden im ebenso zurecht gestutzten Volk allerbestens verstanden!.

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curti curti
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Gellermann tut so, als habe er das Hinterzimmer-Treffen erfunden. In Wahrheit hat er nur heimlich mitgeschnitten.

Jens Wallendorf
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Warum nicht @ Curti Curti, wenn ein Bundespräsident seine Mätresse als First Lady Deutschlands verkaufen, Verzeihung, präsentieren kann, warum soll man dann nicht eine Ehe mit polygamen Hintergrund in die Werte-Skala aufnehmen ?

Achim Kessel
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Die SPD wird Wahlen nur dann wieder gewinnen, wenn beide Hauptflügel - der rechte und der linke - wieder gemeinsam auftreten. Das haben sie in den Personen Lafontaine und Schröder zuletzt 1998 unter Beweis gestellt. Dass beide Flügel vor der Wahl...

Die SPD wird Wahlen nur dann wieder gewinnen, wenn beide Hauptflügel - der rechte und der linke - wieder gemeinsam auftreten. Das haben sie in den Personen Lafontaine und Schröder zuletzt 1998 unter Beweis gestellt. Dass beide Flügel vor der Wahl links geblinkt und nach der Wahl der Regierungsflügel rechts abgebogen ist, werden die Wählerinnen und Wähler der SPD so bald nicht vergessen. Deshalb sitzt sie (zu Recht) im `20-Prozent-Turm´ (Stephan Weil) fest.


Nun ist derzeit ein beträchtlicher Teil des linken Flügels durch Ämter und Funktionen stillgestellt. Eher im Verborgenen arbeitet jedoch das Institut solidarische Moderne unverdrossen an dem Projekt Rot2Grün weiter. Die Ergebnisse der Sommerakademie 2013 des ISM sind 2014 unter dem Titel `Anders regieren? - Vor einem Umbruch, der ansteht, aber nicht eintritt´ bei VSA veröffentlicht worden. Der Herausgeber der Online-Zeitung `Gazette´, Fritz Glunk, schreibt dort unter dem Titel `Kultur: Geist der Zeit - Die gegenwärtige Schwäche der Linken ist ihr Mangel an Utopie´: "Das revolutionäre Potenzial der christlichen Botschaft ist wieder neu zu entdecken, und diese Wiederentdeckung ist ohne Berührungsscheu auch von der Linken zu fordern und zu unterstützen. Zwar bieten die etablierten Kirchen derzeit wenig Hoffnung. Von gelegentlichen Protestpapieren (und den übersteigerten Hoffnungen, die sich an den neuen Papst richten) abgesehen, sind die Kirchen zu sehr mit den Finanz- und Funktionseliten verflochten. Aber es ist zu prüfen, ob der subversive Charakter der religiösen Botschaften ins Leben zu rufen ist."


Der Jude Jesus ist als Sozialrebell von der römischen Besatzungsmacht im Einvernehmen mit dem jüdischen Establishment ans Kreuz geschlagen worden. Er war es, von dem berichtet wird, dass er die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben hat. Und er war es, der seine direkten Nachfolger, die messianischen Juden, in den Stand setzte, auf ihren Missionsreisen bis hin nach Rom den Sklaven und anderen Ausgegrenzten die Botschaft zu übermitteln, dass sie Menschen gleichen Wertes sind.
Dass Kirche seit 325 in Gemeinschaft mit der Staatsmacht irdische Herrschaft ausgeübt hat, hängt ihr bis heute nach. Eine staatsferne Kirche wie die in der DDR hat aber seit Beginn der 1980er Jahre gezeigt, dass eine Gemeinsamkeit von Straße und Altar umwerfende Wirkung erzielen kann.


`Über sich hinaus wächst nur, wer seine Wurzeln tiefer senkt´ (Hans Kudszus). Eine Karikatur aus den 1960er Jahren bringt es auf diesen Punkt: Jesus rechts, Marx links, der Kapitalist in der Mitte: `Haut Euch!´.
Die Occupy-Leute haben es begriffen. Wenn das Eine Prozent dafür sorgt, dass über Leichen gehend nach seiner Pfeife getanzt wird, dann sind wir die 99 Prozent, die Grund haben, sich zur Wehr zu setzen. Eine hilfreiche Differenzierung der 99 Prozent haben Michael Hardt und Antonio Negri in ihrem Bändchen `Demokratie!´ vorgenommen: Die Verschuldeten, die Vernetzten, die Verwahrten und die Vertretenen haben ein Überlebensinteresse an Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit.


Vater Robert (Keyneskenner) und Sohn Edward (Philosoph) Skidelsky bringen es in ihrem Band `Wieviel ist genug? - Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens´ auf diesen Punkt: Alle Menschen haben einen Anspruch auf die sieben Basisgüter Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur, Freundschaft und Muße.
Ob sich die `gidas´ und ihre Gegner nicht aus der Falle des `Haut Euch!´ herausbewegen können? Wenn zwei sich streiten, freut sich ein Dritter.

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Heinrich Triebstein
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Das deutsche Volks-DILEMMA ist, daß der NICHTWÄHLER-MEHRHEIT die "POLITIKER"
"am Arsch vorbei gehen" und diese MEHRHEIT
die UNTERTANEN dieser "POLITIKER" sind ... solange der KONSUM-VORRAT reicht ... dann kommt der "AUFSTAND" ... dann kommt "alter...

Das deutsche Volks-DILEMMA ist, daß der NICHTWÄHLER-MEHRHEIT die "POLITIKER"
"am Arsch vorbei gehen" und diese MEHRHEIT
die UNTERTANEN dieser "POLITIKER" sind ... solange der KONSUM-VORRAT reicht ... dann kommt der "AUFSTAND" ... dann kommt "alter Wein in neue Schläuche"! Das nennt sich "ZIVILISATION"!!!

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Hans Jon
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Ihr Hass auf die SPD - als Satire getarnt - ist unverkennbar. Sachliche Kritik geht anders!

Friedrich Heinemann
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Zu Friedrich Heinemann:

Nun - es fällt schwer, etwas zu kritisieren, was es eigentlich nicht mehr gibt.
Will sagen, die SPD ist nicht etwa ein Schatten ihrer selbst, sondern es gibt sie sozusagen gar nicht mehr. Die linke(re) Darstellung von...

Zu Friedrich Heinemann:

Nun - es fällt schwer, etwas zu kritisieren, was es eigentlich nicht mehr gibt.
Will sagen, die SPD ist nicht etwa ein Schatten ihrer selbst, sondern es gibt sie sozusagen gar nicht mehr. Die linke(re) Darstellung von Politik, und das ist zweideutig zu verstehen, wird eindeutig von den Politikdarstellern aus dem Dunstkreis der CDU/CSU gemacht. Was dieser Ableger des amerikanischen RegierungsSyndikates bei der ihm eigenen Verlogenheit allerdings noch mit christlich zu tun hat, ist mir auch schleierhaft.

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Paul-Wilhelm Hermsen
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DER LETZTE TANGO

Hamburg eignet sich gut, um an Bord des bereits seeuntüchtigen Schiffes
SPD (SIECHER-PANIK-DAMPFER) endlich mal nützliche Gespräche zu führen, während weitsichtigere Genossen im Ballsaal die Tanzfläche bereits glanzvoll...

DER LETZTE TANGO

Hamburg eignet sich gut, um an Bord des bereits seeuntüchtigen Schiffes
SPD (SIECHER-PANIK-DAMPFER) endlich mal nützliche Gespräche zu führen, während weitsichtigere Genossen im Ballsaal die Tanzfläche bereits glanzvoll hinterhältig klug über Gebühr bohnern, für den Empfang der Kanzlerin am Arm des Auslaufmodells Gabriel.
Gönnen wir also den beiden Vollschlanken diesen letzten Tanz und hoffen auf eine einige Linksfront, aber vor allem auf geläuterte Bürger, die im Wahljahr 2017 die Chance auf Veränderung besser nutzen werden.

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Lutz Jahoda
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Was ich immer schon mal schreiben wollte: Mir gefällt an der Rationalgalerie die Leichtigkeit mit der Fakten und Zusammenhänge aufgeschrieben sind. Scholzens Besuch bei den christlichen Fundamentalisten ist nur das jüngste Beispiel in einer...

Was ich immer schon mal schreiben wollte: Mir gefällt an der Rationalgalerie die Leichtigkeit mit der Fakten und Zusammenhänge aufgeschrieben sind. Scholzens Besuch bei den christlichen Fundamentalisten ist nur das jüngste Beispiel in einer langen Reihe von Artikeln die nicht nur Neuigkeiten vermitteln sondern auch unterhalten wollen.

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Anne Kämper
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