Demnächst wieder Besuch aus der Türkei. Es könnte gut der türkische Finanzminister Mehmet Şimşek sein, der dann ganz privat, vom Balkon des Adlon aus seine Empörung über die zu geringen Vorbeitrittshilfen der EU in die Luft über den Pariser Platz schreien würde. Zum Beispiel so: „Die 630 Millionen jährlich sind für ein stolzes Land wie die Türkei eine Beleidigung! Das sind Nazi-Methoden, mit denen der große „Reis“ (Führer) an seinem segensreichen Wirken gehindert werden soll. Das wird Folgen haben!“ Noch am selben Tag könnte Frau Merkel auf dem kurzen Dienstweg die EU-Hilfen für die Türkei aussetzen, damit der arme Erdogan nicht weiter beleidigt wird. Aber genau das wird Frau Merkel nicht tun. Denn sie und ihre Regierungsmannschaft übt sich seit Monaten darin, den Diktator zu beschwichtigen. Im Englischen nennt man das Appeasement. Und in der Geschichte kennt man den Begriff in Zusammenhang mit dem Münchner Abkommen, mit dem Großbritannien und Frankreich den deutschen Führer beschwichtigen wollten.

Es war eine gespenstische Runde von Sozialarbeitern, die jüngst bei Anne Will zusammensaß: Heiko Maas, Günter Verheugen und Armin Lachschet überboten sich im Beschwichtigen: Man dürfe sich von Erdogan nicht provozieren lassen, meinten die Herren in vornehmster Zurückhaltung. Das Wort Diktatur kam ihnen nicht über die Lippen. Einzig Sevim Dagdelen von der Linkspartei redete Klartext in der Talk-Show: „Ich möchte nicht, dass Deutschland zum Wahlkampfhelfer für Erdogan wird.“ Und weiter zum neuen Führer: „Diese Ein-Mann-Diktatur hat nichts in der EU zu suchen.“ Offenkundig hält die kluge Frau den Präsidenten der Türkei nicht für therapierbar. Anders der deutsche Aussenminister. Bei einem Frühstück mit dem türkischen Aussenminister Mevlüt Çavuşoğlu – der hatte jüngst den Deutschen Nazi-Praktiken vorgeworfen – fand er sanfte Worte: Die „Regeln des Rechts" sollten eingehalten werden und auch noch die „Regeln des Anstandes“. Schließlich mahnte er die "Spielregeln“ an. Der deutsche Außenminister weiß offenkundig nicht wovon er redet. Erdogan will nicht nur spielen.

Zu den allgemeinen Beschwichtigungen gehört auch die gespielte Sorge, es ginge bei den Auftritten türkischer Krawallmacher im Ministerrang um „Meinungsfreiheit“. Da gäbe es Gesetze, die müsse man einhalten. Plötzlich fällt den Beschwichtigungs-Juristen ein: „Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten“. Doch wenn sie überhaupt das deutsche Versammlungsgesetz kennen, dann unterschlagen sie schnell dessen Paragraph 2: „Dieses Recht hat nicht . . . wer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes verwirkt hat.“ Und was sagt uns der Artikel 18 GG: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Absatz 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Absatz 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8) . . . mißbraucht … verwirkt diese Grundrechte.“ Was glauben die Damen und Herren Beschwichtiger denn, was Erdogan und seine Gefolgsleute in Deutschland wollen? Sesamkringel anbieten?

Aber es geht noch weiter in den Texten des Rechts: Völkerrechtsprofessor Christoph Vedder, ist sich sicher: "Wahlkampfauftritte von Regierungsmitgliedern sind eine Ausübung von Hoheitsrechten auf dem Territorium eines anderen Staates und verletzen dessen Territorialhoheit. Daher bedürfen sie der Genehmigung des Staates, auf dessen Territorium sie stattfinden sollen." Hatten die Erdogan-Boten eine Genehmigung des deutschen Staates? – Und während die Merkel-Administration es noch den lokalen Behörden überlässt, die türkischen Ministerauftritte abzuwehren, spielt der Diktator mit der Merkel-Regierung Verstecken: Die deutsche Regierung versteckt sich und Erdogan sucht nach Gelegenheiten seinen Wahlkampf in Deutschland zu inszenieren. Ein Wort aus Berlin würde reichen und das grausame Spiel wäre beendet.

Die feige Merkel und ihre SPD-Regierungspartner stehen in einer langen westdeutschen Tradition der Kumpanei mit türkischen Diktaturen. Von 1980 - 1983 herrschte in der Türkei eine offene Militärdiktatur. Das hinderte die Bonner Regierung keinesfalls daran, den Export von Panzern und U-Booten in die Türkei freundlichst zu begleiten: Der NATO-Partner Türkei musste selbstverständlich bedient werden. Dass man daran verdiente, war eine angenehme Nebenerscheinung. Auch im letzten Jahr, als die Erdogan-Türkei mal wieder dabei war den kurdischen Teil der Bevölkerung zu terrorisieren, wurden jede Menge deutscher Waffen geliefert. Schon seit geraumer Zeit sind auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik Tornado-Aufklärungsflugzeuge und ein Tankflugzeug der Bundeswehr stationiert. Auch nach dem jüngsten Erdogan-Putsch besuchten deutsche Abgeordnete die türkische Militärbasis. Begleitet von den Segensworten des SPD-Militär-Politikers Rainer Arnold: "Sowohl die Türkei als auch wir müssen ein Interesse daran haben, dass wir Partner bleiben. Das gilt sicherlich in beide Richtungen“. Was in beide Richtungen gilt: Wer die Diktatur machen lässt, besudelt sich ähnlich wie der, der sie durchsetzt.

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Merkels Feigheit/politische Korrektness:

"Ich bin auch Kanzlerin der Deutschtürken", hat sie im vergangenen Jahr gesagt. - Gut gemeinter Nonsens.

Natürlich ist sie nicht die Kanzlerin der türkischen Staatsbürger in Deutschland. (Die könnten sie...

Merkels Feigheit/politische Korrektness:

"Ich bin auch Kanzlerin der Deutschtürken", hat sie im vergangenen Jahr gesagt. - Gut gemeinter Nonsens.

Natürlich ist sie nicht die Kanzlerin der türkischen Staatsbürger in Deutschland. (Die könnten sie ja auch gar nicht wählen.) Ihr Kanzler ist Erdogan.

Nur weil die 1,4 Millionen Deutschtürken eben türkische Staatsbürger sind, mit Wahlrecht in der Türkei, gibt es ja Sinn für türkische Politiker, nach Deutschland zu kommen. Das war vorher wohl niemanden - vor lauter politischer Korrektness, 'unsere türkischen 'Mitbürger - aufgefallen.

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Klaus Bloemker
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Im Deutschen gibt es das schöne Wort zuständig. Da die Kanzlerin im Rechtssystem der BRD eine zentrale Stellung hat, ist sie im weiten Sinne auch zuständig für die in Deutschland lebenden Menschen mit türkischer Herkunft.

Uli Gellermann
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Denen ist in ganz Europa an Verhältnissen gelegen, wie sie derzeit in der Türkei herrschen. Im Fall Erdogan werden wir daran gewöhnt, die AfD gibt Flankenschutz. Ungarn und Polen sind die Schrittmacher. Trump dient als Alibi, Putin als böser...

Denen ist in ganz Europa an Verhältnissen gelegen, wie sie derzeit in der Türkei herrschen. Im Fall Erdogan werden wir daran gewöhnt, die AfD gibt Flankenschutz. Ungarn und Polen sind die Schrittmacher. Trump dient als Alibi, Putin als böser Wolf, der Oma Merkel verschlingt.

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paulo h. bruder
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TURECKÝ MED

Wie obig betitelt, schrieb ich einst unter Pseudonym für Rundfunk und Schallplatte Text und Musik und besang damit den Türkischen Honig und den Ruf des tschechischen Honigmanns, der einst in meiner Geburtsstadt Brünn zum...

TURECKÝ MED

Wie obig betitelt, schrieb ich einst unter Pseudonym für Rundfunk und Schallplatte Text und Musik und besang damit den Türkischen Honig und den Ruf des tschechischen Honigmanns, der einst in meiner Geburtsstadt Brünn zum Weihnachtsmarkt gehörte und mir dazu verhalf, Anfang dreißig, unter Mitwirkung von Radio und Fernsehen und eines Kinderchors, an der Spitze der damals noch kleinen DDR-Schlagergemeinde zu bleiben.
Unglaublich, wie dieses Lied in meinem hohen Alter noch einmal an Bedeutung gewinnen konnte. Danke, liebe Frau Merkel. Die Klebekraft des Plombenziehers Türkischer Honig noch einmal unglückselig auf eine deutsche Regierung ausgeweitet zu sehen, wäre selbst meiner üppigen Phantasie nicht gekommen. Sie haben das geschafft.
Wirklich meisterhaft! Danke!

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Lutz Jahoda
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Ein sehr aufschlussreicher Artikel:
Auf unser Grundgesetz ist also Verlass. Leider nicht auf die Regierung, die sich und ihren Konzernen diesen Staate zum Untertanen macht. Seit Jahrzehnten torpediert die CDU das Grundgesetz. Eigentlich müsste...

Ein sehr aufschlussreicher Artikel:
Auf unser Grundgesetz ist also Verlass. Leider nicht auf die Regierung, die sich und ihren Konzernen diesen Staate zum Untertanen macht. Seit Jahrzehnten torpediert die CDU das Grundgesetz. Eigentlich müsste diese Partei vom Verfassungsschutz überwacht werden und ein Verbotsantrag gestellt werden.

Der Kotau vor den USA-Eliten, der Türkei und Israel ist nur noch beschämend. Und der gleichzeitige Aufbau und Pflege des Feindbildes Russland, erfüllt mich mit Zorn.

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Peter Schönfelder
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Liest man heute die Mainstream-Schlagzeilen über das deutsch-türkische Außenministertreffen, könnte man glaube, Gabriel hätte Tacheles geredet. Dass der türkische Gast mit diesem Satz "Deshalb erinnert uns die Situation in Europa gerade sehr...

Liest man heute die Mainstream-Schlagzeilen über das deutsch-türkische Außenministertreffen, könnte man glaube, Gabriel hätte Tacheles geredet. Dass der türkische Gast mit diesem Satz "Deshalb erinnert uns die Situation in Europa gerade sehr stark an den Zweiten Weltkrieg" erneut die Nazikarte gezogen hat wird vornehm verschwiegen. Auch deshalb ist der Artikel der RATIONALGALERIE eine Wohltat: Er spricht Klartext!

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Svenja Langenfeld
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Zitat von Herrn Erdogan laut Wikipedia:

"Wir werden nicht Gefangene auf 780.000 Quadratkilometern sein. [?] Unsere Brüder auf der Krim, im Kaukasus, in Aleppo und Mossul mögen jenseits der physischen Grenzen sein, aber sie sind innerhalb der...

Zitat von Herrn Erdogan laut Wikipedia:

"Wir werden nicht Gefangene auf 780.000 Quadratkilometern sein. [?] Unsere Brüder auf der Krim, im Kaukasus, in Aleppo und Mossul mögen jenseits der physischen Grenzen sein, aber sie sind innerhalb der Grenzen unserer Herzen."

Und was ist mit den Brüdern in Berlin?
Die liegen vermutlich auch innerhalb der Grenzen seiner Herzen?
Berlin so las ich, sei die drittgrößte 'türkische' Stadt nach Istanbul und Ankara? ; - )

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Benny Thomas Olieni
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Hitler in den USA?

Man stelle sich vor, Hitler wäre vor der Reichtstagswahl November 1932 (oder März 1933) nach Amerika gekommen, um bei den Millionen German-Americans Stimmen für die NSDAP zu holen?

Hätte keinen Sinn gemacht, weil die...

Hitler in den USA?

Man stelle sich vor, Hitler wäre vor der Reichtstagswahl November 1932 (oder März 1933) nach Amerika gekommen, um bei den Millionen German-Americans Stimmen für die NSDAP zu holen?

Hätte keinen Sinn gemacht, weil die German-Americans keine deutsche Staatsangehörigkeit mehr hatten und Hitler gar nicht hätten wählen können. - Anders als unsere German-Turks heute.

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Klaus Bloemker
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Stimmt, die USA machten damals eine prima Integrationspolitik: Gestützt auf jede Menge Wasser zwischen der neuen und der alten Heimat, nicht mal das deutsche Radio langte über den Teich und die deutschen Einwanderer haben an der Gründung der USA...

Stimmt, die USA machten damals eine prima Integrationspolitik: Gestützt auf jede Menge Wasser zwischen der neuen und der alten Heimat, nicht mal das deutsche Radio langte über den Teich und die deutschen Einwanderer haben an der Gründung der USA mitgewirkt. Der Vergleich hinkt auf beiden Beinen.

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Uli Gellermann
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Ersteinmal vielen, herzlichen Dank, dass du die deutsche Politik, besonders, die Türkei betreffend, vom Kopf auf die Füsse stellst.Danke für deinen unermüdlichen Einsatz, für Menschenrechte, für Demokratie und Fortschritt. Für mich bedeutet es...

Ersteinmal vielen, herzlichen Dank, dass du die deutsche Politik, besonders, die Türkei betreffend, vom Kopf auf die Füsse stellst.Danke für deinen unermüdlichen Einsatz, für Menschenrechte, für Demokratie und Fortschritt. Für mich bedeutet es sehr viel, deine antimilitaristische und antifaschistische Haltung, die immer erkennbar bleibt. Ja, Deutschland kann und kennt Diktatur; wie du sehr treffend formuliert hast. Deutschland kann eigentlich nicht mehr viel tiefer sinken..Man stelle sich vor, Präsident Putin, (der am gestrigen, Internationalen Frauentag eine sehr berührende Rede gehalten hat, würde sich auf den Weg nach Deutschland machen, um hier Wahlkampf bei den russischen Mitbürgern zu machen ? Da gäbs aber ganz harte Bandagen; und Verbote, würde es hageln, selbstredend würde Merkel sich sehr klar positionieren können in wundersamer Weise, die antirussischer nicht sein könnte, diese reaktionäre Tante. Das Grundgesetz würde weiter bearbeitet bearbeitet werden, dass nix mehr, von dem noch erkennbar ist, wofür die Frauen und Männer aufgestanden, gekämpft und auch ermordet wurden. Hinter den Kulissen wird Erdogan weiter hofiert werden, wie es sich eben standesgemäß für einen Sultan gehört. Natürlich wird es keine klaren Worte mit den dazugehörenden Konsequenzen geben. Von wem denn auch ? Von Merkel ? Merkel kennt in der Politik, außer bei Russland keine Konsequenzen. Sie bleibt eine getriebene, die weder Standpunkt, Haltung, noch Charakter hat. Sie überlässt es den Anderen, und macht Deutschland zum Mittäter, bei Verletzung von Menschenrechten, bei Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, sie schaut zu, wenn die Kurden in der Türkei verfolgt, gequält,weggesperrt, und auf Nimmerwiedersehn verschwinden, oder aber ermordet werden.Seltsame, unpersönliche, aber vor allem völlig unbeteiligte Aussagen kommen von Merkel, und als Kanzlerin einer Republik ist sie neben einigen anderen, eine Niete, wie sie im Buche steht. Man will den Despoten doch nicht verärgern, denn er ist unberechenbar, das sind Diktatoren; wie wir auch aus unserer schmerzhaften Geschichte wissen. Nun, sie werden ein bisschen Schau machen, sich empören, wie immer, keine Entscheidung treffen, im
Ungefähren, im Banalen, und in der Beliebigkeit bleiben. So kennen wir Merkel, und den ganzen Haufen, nichtsnutziger, hochbezahlter, lügender Mittäter. denn das sind sie, bis auf einige Ausnahmen, Alle. Frau Dagdelen will ich ausdrücklich erwähnen wollen, weil sie zu denen gehört, die Klartext und Tacheles reden. Von solchen Politikern brauchen wir mehr in diesem Land, vor allem bei den LINKEN.
Erinnern will ich an Max Reimann, der Vorsitzende der KPD im Deutschen Bundestag nach 1945, der eine fast hellseherische Aussage getroffen hat, als es um die Verabschiedung des Grundgesetzes ging. Die Kommunisten werden dieses noch gegen die verteidigen, die es unterschrieben haben. Die KPD hatte nicht unterschrieben, weil damit die Spaltung Deutschlands besiegelt wurde.

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Ulrike Spurgat
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Nehmen wir einmal an Geschichte wiederhole sich nicht als Farce sondern ganz einfach nur so - ohne auch nur eine Spur von Komik und Absurdität. Dann folgt nämlich logischerweise auf das Appeasement ganz ohne Witz und Dollerei die "Heimholung" ins...

Nehmen wir einmal an Geschichte wiederhole sich nicht als Farce sondern ganz einfach nur so - ohne auch nur eine Spur von Komik und Absurdität. Dann folgt nämlich logischerweise auf das Appeasement ganz ohne Witz und Dollerei die "Heimholung" ins Reich. Was dabei heimgeholt werden soll und was Reich ist machte der große „Reis“ unlängst in einer in der Region Rize gehaltenen Rede klar. (Herr Olieni hat sie bereits zitiert und meiner Ansicht nach den korrekten Schluss gezogen.) Erdogan bezog sich in dieser Rede auf den Unterschied zwischen den Grenzen der Herzen der türkischen Nation und den völkerrechtlich festgelegten Grenzen. Er sprach dabei von den bestehenden Grenzen als einer Art mentalem Hindernis welches die Türkei von jenen Regionen der Welt trenne die historisch zu ihr gehörten. Erdogan führte in diesem Zusammenhang aus, dass Türken in ihren Gedanken Andrianopolis einfach nicht von Thessaloniki trennen könnten, sie könnten einfach keine Grenzen im Herzen feststellen. Und das gilt - so Erdogan - nicht nur in diesem Fall, sondern auch für den griechischen Teil Thrakiens, für den Balkan, Nordafrika, für Teile Westeuropas und des Kaukasus genauso natürlich wie für Syrien und den Irak. "Die Türkei ist nicht einfach die Türkei," so Erdogan, "die Türkei hat neben ihren 79 Millionen türkischen Staatsbürgern auch eine Verantwortung für die hunderte Millionen von Brüdern in Regionen die mit uns historisch und kulturell verbunden sind." Wie diese grenzenlos-herzliche Verantwortlichkeit allerdings gelebt wird, dürfen zum Beispiel die Griechen in Thrakien an der täglichen Verletzung ihres Luftraumes durch türkische Jets erfahren. Oder in Momenten wie jenem vor zwei Monaten, als ein türkischer Zerstörer mit einer besonders verantwortlich-herzlichen Geste seine Kanonen auf den Berg Athos richtete bis er von der Küstenwache abgedrängt wurde. Wie gesagt, keine Farce und echt passiert - nur nicht in den deutschen Leitmedien. Aber eine Invasion in Westthrakien - ein legitimierendes Zugehörigkeitsreferendum wird von türkischen NGOs vom Schlage DITIB übrigens bereits vorbereitet - wäre ja aus deutscher Sicht auch nicht so schlimm: erstens würde sich die lästige Konkursmasse Griechenland verkleinern, zweitens liesse sich so noch mehr Rheinmetall an die Türkei (und an Griechenland) verkaufen als ohnehin, und über den Verbleib der mit Hilfe Schäubles unlängst so "geschickt" erstandenen griechischen Infrastruktur in deutscher Firmenhand kann man sich ja beim gemeinsamen Frühstück mit Gabriel einigen.

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Marc Britz
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Einspruch. Gegen die Wahlkampfreden türkischer Politiker an türkisches Wahlvolk in Deutschland ist weniger zu sagen als es scheint. Die ungehaltene, polemische und unverschämte Reaktion der Türken darauf ist unschön, verstehe ich aber...

Einspruch. Gegen die Wahlkampfreden türkischer Politiker an türkisches Wahlvolk in Deutschland ist weniger zu sagen als es scheint. Die ungehaltene, polemische und unverschämte Reaktion der Türken darauf ist unschön, verstehe ich aber ansatzweise. Klar will der Erdogan Diktator werden. Wir leben ja in Deutschland auch in einer knochenharten Industrie- Finanz- und Militärdiktatur, die Oligarchen hoch leben lässt. Keinen stört's, so lange genug zu Essen auf dem Tisch ist und irgendwas im Fernsehen kommt, oder?
In die nationalen Bestrebungen anderer Länder mischt es sich nun einmal nur sehr schwer ein. Die deutsche Bundesregierung versucht das zwar immer wieder, z.B. in Afghanistan, Mali, Syrien, lässt ein Paar Hampelmänner in Uniform vor der russischen Grenze herumspazieren und amerikanische Panzer eskortieren, sanktioniert (belagert) munter andere Staaten, aber die Bedrohten wollen einfach nicht nach unserer Pfeife tanzen. Komisch.
Ich bin auch nicht mit Erdogans Politik einverstanden, auch nicht mit der von Donald Trump. Am meisten störe ich mich aber an der deutschen Politik, weil sie die Europäische Idee vernichtet und Streit mit den Nachbarn provoziert. Unsere Medien blasen täglich die Eskalation in den Äther, statt für Verständnis und ein friedliches Miteinander zu arbeiten. Dabei sollte jedem klar sein, dass nicht die Türken oder die Russen oder die Syrer oder die Ukrainer böse sind, sondern nur ihre vollgefressenen Oligarchen nicht genug bekommen können - genau wie unsere. Die Installation eines Feindbildes über Personalisierung ist gefährlich und geht komplett am Ziel der Menschen vorbei, auf der Erde in Ruhe und Frieden leben zu können.
Eine richtige und unterstützenswerte Reaktion auf das türkische Verhalten wäre dagegen der sofortige Austritt aus der NATO. Darüber denkt keine unserer korrupten Marionetten laut nach. Die Türkische Regierung ist ganz offensichtlich kein Verbündeter, sondern genau wie die amerikanische ein Aggressionsherd, der einen Bündnisfall auslösen kann. Genau diesen Bündnisfall will und provoziert die NATO auch seit Jahren in der Ukraine, im Baltikum, in Afghanistan, Libyen, Syrien... Ziel ist das riesige Russland und seine gewaltigen Rohstoffreserven. Bei dieser Aggression will ich nicht dabei sein. Richtig ist es, mit der Türkei und ihren Menschen zu sprechen, sie sprechen zu lassen und friedlich Handel zu betreiben. Das gilt auch für alle anderen Staaten, insbesondere Russland. Richtig ist es, allen Staaten die Selbstbestimmung und die territoriale Integrität zu gewähren. Wenn die Türken einen Autokraten haben wollen, dann haben wir das zu respektieren. Und es ist sicher vollkommen falsch, ein auf die Person Erdogan (Trump, Putin) reduziertes Feindbild anzunehmen.
Ich verstehe nicht, wieso Erdogan so viel Platz in unseren Köpfen bekommt. Mir ist der alte Mann reichlich egal. Ganz und gar nicht egal sind mir dagegen umfassende Waffenlieferungen ins Ausland, wirtschaftliche und militärische Muskelspiele. Damit aufzuhören und der allgegenwärtigen Eskalation die Hardware zu entziehen ist das Gebot der Stunde. Danach können wir uns trefflich mit unseren Nachbarn darüber streiten, wie es weiter geht.
Also zum widerholten Male: kümmern wir uns doch um deutsche Belange? Milliardäre enteignen, Rüstung stoppen, Bundeswehr auflösen, Korruption (insbesondere die GroKo) beenden, Energiewende machen. Bei uns marschiert keiner ein. Nein, auch keine Flüchtlinge, wenn wir die Menschen in Ihrer Heimat leben lassen, statt sie auszubeuten, Streit zu säen und sie dann noch mit Waffen zuzuschütten.
Wenn wir uns und alle Nachbarn weiter mit Waffen eindecken, uns gegenseitig mit nationalen Egoismen auf die Nerven gehen, und Feindbilder in die Köpfe trommeln, dann drückt garantiert irgendwann in den nächsten Jahren mal irgendwer auf den Knopf. Und das ist schlimmer als jede andere Bedrohung.

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Andreas Schell
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Unter Erdogan-Verhältnissen sitzen solche wie ich im Gefängnis. Und Sie plädieren offenkundig dafür, dass für diese Verhältnisse in Deutschland Werbung gemacht wird. Ihnen mag der „alte Mann“ ja egal sein. Mir sind die Opfer seiner Diktatur nicht...

Unter Erdogan-Verhältnissen sitzen solche wie ich im Gefängnis. Und Sie plädieren offenkundig dafür, dass für diese Verhältnisse in Deutschland Werbung gemacht wird. Ihnen mag der „alte Mann“ ja egal sein. Mir sind die Opfer seiner Diktatur nicht gleichgültig. Und auch nicht die Auswirkungen auf mein Land.

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Uli Gellermann
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