Da ist es, das böse Wort: Verstaatlichung! Bisher Privates soll über Nacht dem Staat anheimfallen. Jenem Wesen, von dem eine ausgehaltene Öffentlichkeit weiß, dass es nichts kann. Keine Bahnen betreiben, keine Briefe versenden, keine Krankenhäuser leiten. Das alles und noch viel mehr kann nur der Herr Privat. Der Herr der Banken und Konzerne, der Inhaber von Rüstungsfabriken und der Chemie-Anstalten, der Fürst des Technologie-Universums ebenso wie der König der Kommunikations-Veranstaltung. Doch plötzlich, mitten im Frieden einer weltweiten Privatisierung erinnert man sich an den Steuerzahler: Die Atomwirtschaft soll verstaatlicht werden.

Völlig gelassen sprach Werner Müller dieses unanständige Wort aus. Werner Müller, das ist ein Mann aus der Gerhard-Schröder-Mannschaft. Der Wirtschaftsminister aus jener Zeit, in der das geflügelte Wort "Privat-geht-vor-Staat" erfunden und in der deutschen Wirklichkeit umgesetzt wurde. Müller, der Mann, der aus dem Privaten kam und in den Staat ging und dann wieder zurück wanderte. Der redet jetzt der Verstaatlichung das Wort. Müller trieb sich gern im Energie-Sektor herum. Mal bei der RWE AG, mal bei der VEBA AG, ein Abstecher zur Deutschen Bahn sollte deren Privatisierung fördern. Der beste Job in seiner Karriere war sicher der Vorsitz des Aufsichtsrates bei der "Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb (g.e.b.b.)" Die Gesellschaft gehört komplett dem Verteidigungsministerium. Sie soll die Privatisierung der Bundeswehr vorantreiben und gilt als Geldwaschanlage: Hier wird weißes Steuergeld in schwarzen Besitz umgewandelt.

Wenn die Atomindustrie demnächst dem staatlichen Eigentum verfällt, kehrt sie in Wahrheit nur in den Schoß zurück, aus dem das hässliche Monster Anfang der 60er Jahre gekrochen war: Am 1. Januar 1960 trat das Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie in Kraft. Nach einem Bericht des DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) beliefen sich die Ausgaben des Bundes für Atomenergie im Zeitraum von 1956 bis 2007 auf 40,2 Milliarden Euro. Die gesamten öffentlichen Ausgaben für die Atomenergie betrugen kumuliert 53,8 Milliarden Euro. Wenn dieser Bericht mit der einschränkenden Bemerkung versehen ist "soweit Angaben vorliegen", dann weist das auf die vielen dunklen Finanzierungskanäle hin. Auch deshalb korrigiert Greenpeace die Zahlen deutlich nach oben. Deren Studie kommt zur Auffassung, dass die Atom-Wirtschaft in Deutschland von 1950 bis 2010 insgesamt mit ca. 204 Milliarden Euro subventioniert worden ist.

Wer die aktuelle Auseinandersetzung über das iranische Atomprogramm beobachtet, dem könnten Parallelen zur Frühzeit westdeutscher Atompolitik auffallen. Kaum zehn Jahre nach dem Kriegsende,1955, gründete die Bundesrepublik ein Ministerium für Atomfragen, an dessen Spitze der notorische Franz Josef Strauß stand. Kaum war die zivile Nutzung der Atomkraft angeschoben, folgten 1957 Pläne für eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr. Denn die schlaue West-Republik hatte zwar auf die Produktion von schmutzigem Kriegsmaterial verzichtet, nicht aber auf die atomare Bewaffnung: Am 25. März 1958 wurde die atomare Aufrüstung der Bundeswehr beschlossen. Zwar lagerten die atomaren Sprengköpfe unter der Kontrolle der US-Armee, aber immer schön nahe an den Standorten deutscher Raketen.

Die Atomindustrie soll jetzt, wo es teurer wird als bei ihrem Start, wieder zurück in den staatlichen Mutterleib. Zwar haben die Atom-Konzerne Rückstellungen in Höhe von 34 Milliarden Euro für das Langzeit-Begräbnis der radioaktiven Ruinen vorgesehen. Aber für den gesamten Rückbau schätzt Greenpeace mehr als 44 Milliarden Euro Kosten ein. Damit sind Generationen um Generationen, in denen der gefährliche atomare Zerfallsprozess noch gesichert werden muss, nicht eingerechnet. Und ein Endlager ist nicht in Sicht. In dieser Situation geht natürlich Staat vor Privat. Denn es geht ja nicht um Profit, es geht ums Zahlen. In Merkels "marktförmiger Demokratie" sieht die Staatsgewalt so aus: Sie geht nicht vom Volke aus, sie geht ein.

Kommentare (9)

Einen Kommentar verfassen

0 Zeichen
Leserbriefe dürfen nicht länger sein als der Artikel
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen
Gib den Text aus dem Bild ein. Nicht zu erkennen?
This comment was minimized by the moderator on the site

Auch hier gilt die neoliberalie Maxime "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren".

Ein erneutes Paradebeispiel dafür, mit welcher Chuzpe oder besser Unverfrorenheit sich die Kapitalseite, sprich die Privaten mit dem poltisch annektieren...

Auch hier gilt die neoliberalie Maxime "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren".

Ein erneutes Paradebeispiel dafür, mit welcher Chuzpe oder besser Unverfrorenheit sich die Kapitalseite, sprich die Privaten mit dem poltisch annektieren Faible zum Wohl der Allgemeinheit, galant aus der Affäre zu bemühen versucht. Was wird folgen - die Medien werden überwiegend taubstum sein und die Poltik (Staat) zieht den Karren aus dem Dreck, mitten auf die eigenen Füße, dort wo es vielen wehtut. Gleichsam wird ein kleines Grüppchen rundum schmerzbefreit um weiter aus dem Vollen zu schöpfen und bei nächster Gelegenheit wieder vehement gegen den Staat (Allgemeinheit) zu wettern.

Was ist schon ein Irrenhaus gegen diese Realität!

Weiterlesen
curti curti
This comment was minimized by the moderator on the site

Das gehört alles zum Merkelschen Volks-Betrugs-Porogramm und korrespondiert prima mit dem Artikel zu Schäuble.

Hanna Gerber
This comment was minimized by the moderator on the site

Ich habe es noch im Ohr: "Die Menschheit macht sich die Natur untertan."
Die gesamte Atomindustrie ist eine grandiose, sicher die größte intellektuelle und moralische Fehlentwicklung der Menschheit! Eine tödliche Ausgeburt! Sie ist der...

Ich habe es noch im Ohr: "Die Menschheit macht sich die Natur untertan."
Die gesamte Atomindustrie ist eine grandiose, sicher die größte intellektuelle und moralische Fehlentwicklung der Menschheit! Eine tödliche Ausgeburt! Sie ist der Auseinandersetzung der sozialen Systeme geschuldet - oder um es präziser zu benennen: Dem Drang des Kapitals, eine Selbstbefreiung der Unterdrückten nicht zuzulassen.
Die Atomindustrie beweist zugleich alle politisch-ökonomischen und sozialen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus: Eigentums- und Produktionsverhältnisse, zwangsweises Streben nach Maximalprofit, Profilierungszwang und Gewissenlosigkeit der Intelligenzija, Manipulation und Indoktrination der Bevölkerung, unbegrenzte Skrupellosigkeit der herrschenden Klasse und aller (!) ihrer Machtmittel, ihre Verlogenheit bis in ihre letzte Faser, Wachstumswahn, "das Machbare wird gemacht".
Nun ist auch die Auslöschung der Menschheit machbar.
So sonnenklar das alles ist, ist mir völlig unklar, wie es dazu Illusionen und verräterische Kompromissbereitschaft geben kann.

Weiterlesen
Manfred Ebel
This comment was minimized by the moderator on the site

"Ist dies schon Tollheit,
so hat es doch Methode!"
Danke, William Shakespeare!
Da kann ich Werner Müller
nur mit Liedertextschreiber
Wilhelm Müller (1794-1827) begegnen,
der einst dichtete:
"Ist das Wort der Lipp entflohen,
du ergreifst es nimmermehr,
f...

"Ist dies schon Tollheit,
so hat es doch Methode!"
Danke, William Shakespeare!
Da kann ich Werner Müller
nur mit Liedertextschreiber
Wilhelm Müller (1794-1827) begegnen,
der einst dichtete:
"Ist das Wort der Lipp entflohen,
du ergreifst es nimmermehr,
fährt die Reu auch mit vier Pferden
augenblicklich hinterher."

Dieser köstliche Satz sei auch unserer Kanzlerin mit Rapidkleber angeheftet, die kürzlich erst mit semantischen Erläuterungen bemüht war, ihre mit Unwahrheiten befleckten Bundestags-dienstjacken zu säubern. Umsonst. Dieses Teilgebiet der Linguistik, das sich mit Wortbedeutungen und ihren Veränderungen befasst, entzieht sich brutal merkelscher Aufbereitung, Lügen zu blütenweißer Reinheit zu verklären. Bleibt abzuwarten, wie die Selbstherrlichen ihrem Volk diese von Herrn Müller empfohlene Um- und Endlagerung privater Finanzschwierigkeiten auf die Schultern des plebs misera zu erklären versuchen werden. Vielleicht physikalisch? Masse zu Masse? Da würde ich vorsichtig sein, Frau Merkel. Widerstand heißt die Vokabel. Dafür gibt es sogar eine Formel.

Weiterlesen
Lutz Jahoda
This comment was minimized by the moderator on the site

Ja der "Müllert" wieder rum, erst wurde er 1946 geboren, was ja ganz ok ist, und war bis 1980 beim RWE-Konzern zu Hause, führte dann als Manager bis 1997 E.ON, 1998 holte ihn der niedersächsische Ministerpräsident G Punkt Schröder als...

Ja der "Müllert" wieder rum, erst wurde er 1946 geboren, was ja ganz ok ist, und war bis 1980 beim RWE-Konzern zu Hause, führte dann als Manager bis 1997 E.ON, 1998 holte ihn der niedersächsische Ministerpräsident G Punkt Schröder als Wirtschaftsberater ins Team und als er, der Schröder dann zum Kanzler gekürt wurde, bekam Müller 1998 den Posten des Wirtschaftsminister in dem er am Kartellamt vorbei, die Fusion bzw. den Kauf von E-ON mit Ruhrgas AG beschloss, was der Alfred Tacke als Staatssekretär gar nicht so gut fand und forderte harte Auflagen, aber nach einem gemeinsamen Besuch von Bundeskanzler Schröder und Staatssekretär Tacke zum WM Endspiel, Deutschland gegen Brasilien 0:2 im schönen Asien, waren die harten Auflagen vom Tisch, anschließend ging Müller wieder in die Wirtschaft und wurde 2003 Chef der Ruhrkohle AG.

Das was Sie Herr Gellermann so wunderbar Atomar beschreiben hat bestimmt ein paar Haken für die Privatisierung, denn die Kraftwerksbetreiber RWE, EnBW und E.on konnten ihre Gewinne seit 2002 versiebenfachen und erzielten 2009 einen Profit trotz Krise von ca. 23 Milliarden Euro, größter Anteilseigner bei E.on sind BlackRock inc. als Weltweit größter Vermögensverwalter und die Capital Group Companies als zweitgrößter Vermögensverwalter, - der Welt!

Diese Konstellation verhält sich im RWE Konzern nahezu identisch, nur das dort als Eigentümer neben "BlackRock" auch die "Mondrian Investment Partners" zu den größten Anteilseigner des RWE Konzerns gehören und diese befindet sich wiederum in Besitz von "BlackRock", "Goldmann&Sachs", "Morgan Stanley" und so weiter. Wir dürfen gespannt sein wie die Politik diese Privatisierungen regeln wird, evt. dürfen diese großen Unternehmen wie RWE, E-ON usw. noch mehr Kohlekraftwerke bauen, die zu den bereits bestehenden Ü20 neuen oder schon ans Netz angeschlossenen Kohlekraftwerken hinzu kommen? Die Betreiber gehen mit dem Versprechen ans Netz, die Umweltschonende CCS Technik anzuwenden wenn diese Technik in 20 oder 30 Jahren ausgereift genug sei um zum Einsatz zu kommen, so lange wird die übliche Filtertechnik angewendet die als Kraftwerk den Spitznamen "Dreckschleuder" inne hat. Ein Genehmigungsverfahren wird zwischen Ostern und Weihnachten eines Jahres durchgepeitscht, engagierte Bürger brauchen 7 Jahre für ein Windrad! Mein Kommentar ist etwas länger geworden, sorry, aber freundlichst, Ulrich Fiege!


Weiterlesen
Ulrich Fiege
This comment was minimized by the moderator on the site

Ich bin "radikaler" PAZIFIST". Ich habe die "freie MEINUNG", dass a l l e Erfinder, Hersteller, Händler und Benutzer von WAFFEN aller Art "VERBRECHEN an der (sog). MENSCHLICHKEIT" begehen! ATOM-WAFFEN sind die "KRONE der SCHÖPFUNG" dieser...

Ich bin "radikaler" PAZIFIST". Ich habe die "freie MEINUNG", dass a l l e Erfinder, Hersteller, Händler und Benutzer von WAFFEN aller Art "VERBRECHEN an der (sog). MENSCHLICHKEIT" begehen! ATOM-WAFFEN sind die "KRONE der SCHÖPFUNG" dieser VERBRECHER!!!

Weiterlesen
Hans Ion
This comment was minimized by the moderator on the site

Diese Rege von Müller in der er sich für eine Stiftung ausspricht war im Mainstream kaum existent. Es ist ein Verdienst der Galerie, dass Sie einen Abriss der deutschen Atomgeschichte und ihrer teuren und gefährlichen Perspektive referiert haben.

Jörg Berner
This comment was minimized by the moderator on the site

@ Jörg Berner

Das Thema wurde nicht nur im Mainstream vernachlässigt. Auch im Netz taucht die Müller-Rede kaum auf. Aber hier wird die Zukunft der Atom-Industrie beschrieben: Zurück in den staatlichen Mutterleib, wie Gellermann das so schön...

@ Jörg Berner

Das Thema wurde nicht nur im Mainstream vernachlässigt. Auch im Netz taucht die Müller-Rede kaum auf. Aber hier wird die Zukunft der Atom-Industrie beschrieben: Zurück in den staatlichen Mutterleib, wie Gellermann das so schön gemein beschreibt.

Weiterlesen
Jana Berger
This comment was minimized by the moderator on the site

Mit großem Genuss las ich auch diesmal wieder alle Kommentare, die Ulrich Gellermanns RATIONALGALERIE initialzündend freigesetzt hat und sage allen bewundernd Dank dafür. Hervorzuheben sei diesmal Manfred Ebel, dem es unter vierzehn Zeilen in nur...

Mit großem Genuss las ich auch diesmal wieder alle Kommentare, die Ulrich Gellermanns RATIONALGALERIE initialzündend freigesetzt hat und sage allen bewundernd Dank dafür. Hervorzuheben sei diesmal Manfred Ebel, dem es unter vierzehn Zeilen in nur sieben davon gelungen war, diesen blutgetränkt öligen Ursprung allen Elends und aller Tragik zu benennen.

Weiterlesen
Lutz Jahoda
Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht