Gewählt! Gewählt! Gewählt! - Tätä! Natürlich total demokratisch. Der neue Präsident des Deutschen Bundestages. Doktor Wolfgang Schäuble. Lang, lang ist es her. Da hatte der selbe Doktor Schäuble vom Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber eine Parteispende von 100.000 Mark bekommen. Das Geld verschwand. Und ist bis heute verschwunden. - In diesen Tagen ist der dubiose Geld-Verschwindler Schäuble mit schönster Mehrheit gewählt worden. Die Abgeordneten haben alle ein Rederecht, das sie hätten nutzen können. Zum Beispiel so:

Andrea Nahles, SPD, die neue Oppositionsführerin: „Meine Damen und Herren, ich will ohne langes Drum-Herum-Gerede dem Kollegen Wolfgang Schäuble zur Wahl zum Bundestagspräsidenten gratulieren! Und jeder, der es wagt, den verehrten Herrn Schäuble auf die 100.000 Mark anzusprechen, die er vor Jahren mal in einer Schublade vergessen haben soll, der kriegt es von mir persönlich in die Fresse! Und wer jetzt behauptet, das sei eine faktische Fortsetzung der großen Koalition, der hat natürlich Recht: Längst arbeiten wir mit der CDU in Niedersachsen an der Weiterführung dieser bewährten Gang. Und wer weiß, ob wir das nicht in diesem hohen Hause auch wieder hinkriegen! So geht Demokratie.“

Ihr folgt Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD: „Was sind schon die paar Mark im Angesicht deutscher Geschichte! Das mindert weder die Leistung deutscher Soldaten an der Front noch anderswo. Na schön, der Herr Doktor Schäuble hat mal 100.000 Mark entsorgt. Da gäbe es noch viel mehr zu entsorgen! Wenn wir erst mal die Flüchtlingsfrage entsorgt haben, dann muss man sich über die läppischen 100.000 Mark keine Sorgen mehr machen. Mit uns wird sich Deutschland wieder ins Gesicht schauen können, ohne Rot zu werden. Ja, wenn es Euro gewesen wären, die der Herr Schäuble irgendwo vergessen hat. Da hätte er sogar ein gutes Werk getan. Denn der Euro beleidigt die Deutsche Mark, so wie der Flüchtling das Deutsche Volk beleidigt. Das wird allen Beteiligten noch leid tun.“

Federnden Schrittes betritt Christian Lindner, FDP, das Rednerpult: „Es ist doch eine Frage der Freiheit, meine Damen und Herren, ob man 100.000 Mark hat oder nicht. Zwischen Haben und Nicht-Haben liegen doch bei genauer ökonomischer Betrachtung glatt 200.000 Mark! Sicher, Herr Dr. Schäuble ist höchst liberal mit dieser Summe umgegangen. Aber er hätte doch seinen Steuerberater fragen sollen. Der hätte ihm schon einen schönen Platz zum Verschwindenlassen nennen können. Wegen ein paar 100.000ern werden wir jedenfalls keine Neid-Debatte beginnen. Der große, freie Markt schluckt solche kleinen Beträge, ohne auch nur zu rülpsen! Das ist die Freiheit, die wir meinen. Herzlichen Glückwunsch, lieber Wolfgang, und immer Zeit genug zum Geld zählen!“

Petra Pau von der Linkspartei hebt an zu reden. Stille breitet sich aus im Bundestag. Denn die LINKE gilt als scharfer Gegner der CDU und als klassischer Feind der Rüstungsindustrie und ihrer korrupten Vertreter im Parlament: „Das Grundgesetz sagt ja eindeutig, dass wir Abgeordneten nur unserem Gewissen unterworfen sind. Seit Dr. Wolfgang Schäuble sich dafür ausgesprochen hat, dass Israel assoziiertes EU-Mitglied werden soll, sagt mir mein Gewissen: Wer die Folgen des Holocaust so konsequent wieder gut machen will, dass er sogar den Nahen Osten in die Mitte Europas holen möchte, der kann kein schlechter Mensch sein. Und wer weiß, vielleicht sind die Waffen des Händlers Karl-Heinz Schreiber sogar gegen die terroristischen Palästinenser verwendet worden. Dann wären die verschwundenen 100.000 Mark doch für einen guten Zweck eingesetzt. Deshalb kann ich heute guten Gewissens sagen: Auf gute Zusammenarbeit auch in den nächsten Jahren, Herr Dr. Schäuble.“

Katrin Göring-Eckardt, von Bündnis 90/Die Grünen, ist die letzte der Gratulanten: „Meine Damen und Herren, was sagt die Bibel in diesem Fall: ‚Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein‘. Nun gab es ja einst in meiner Partei auch Steinewerfer, aber diese Zeit ist schon lange vorbei. Als brave Untertanen kämen wir heute nie auf solche Ideen. Ich gehe außerdem davon aus, dass Wolfgang Schäuble damals nur eine interessante Form der Müll-Beseitigung vornahm. Da lag bedrucktes Papier herum, und er ließ es einfach spurlos verschwinden. Und schließlich sagt uns die Bibel auch: ‚Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.‘ So hat der evangelische Christ Wolfgang Schäuble diese gefährlichen 100.000 Mark einfach dem üblichen Kreislauf entzogen und andere vor der Versuchung bewahrt. Wenn ich jetzt an dieser Stelle an die Lutherbibel erinnere, die da sagt: ‚Alles hat seine Zeit - Schweigen hat seine Zeit und Reden hat seine Zeit‘, dann darf ich jetzt den Mantel des Vergessens über den Betrag werfen, den ich schon gar nicht mehr nennen will und deshalb alle Abgeordneten bitten: Schweigen Sie mit!“

Im Ergebnis dieses allgemeinen Schweigens verpasste der Bundestag eine Sternstunde der offenen und ehrlichen Debatte, um eine Geisterstunde zu zelebrieren, die dem Parlament ihren Stempel für die nächsten Jahre aufdrückt: Schweigen ist Gold, im Wert von mindestes 100.000 Deutschmark.

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Lieber Herr Gellermann,
Ihre Satire tut weh! Denn sie ist wahr. So ist der Deutsche (Abgeordnete)! Leider gibt es keine Hoffnung, daß das jemals anders werden könne. Warum die Herrschaften sich überhaupt der Mühe unterziehen, gelegentlich an den...

Lieber Herr Gellermann,
Ihre Satire tut weh! Denn sie ist wahr. So ist der Deutsche (Abgeordnete)! Leider gibt es keine Hoffnung, daß das jemals anders werden könne. Warum die Herrschaften sich überhaupt der Mühe unterziehen, gelegentlich an den Plenarsitzungen teilzunehmen, ist mir unerfindlich. Darf ich mal aus dem Nähkästchen plaudern? Es kann nicht nur die für Bundestagsabgeordnete übliche stattliche Diät sein, denn ich als Gemeinderat einer kleinen thüringischen Stadt erlebe meine KollegInnen ähnlich und die bekommen nur ein mageres Sitzungsgeld. Was treibt einen Deutschen dazu, sich ins Parlament wählen zu lassen und dort nichts zu sagen? Ehrlich gesagt, ich kann es mir nicht erklären. Aber diese von Ihnen so treffend angeprangerte "Vergesslichkeit" erlebe ich in fast jeder Sitzung. Man kann in dieser Hinsicht beliebige Themen ansprechen, es ist schlicht nicht möglich, eine inhaltliche Reflexion zu erwirken. Vorbei und Vergessen!, ist die Devise. Und wenn sie sich beispielsweise erlauben, das Auftreten der Bundeswehr als ein Arbeitgeber wie jeder andere an den Schulen zu kritisieren, dann bekommen sie noch nicht einmal Unterstützung von den Linken! Die in meinem Gemeinderat immerhin (noch) die zweitgrößte Fraktion stellen, unter ihnen eine Landtagsabgeordnete!

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Otto Bismark
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Eine Bundestgagsvizepräsidentin zum Beispiel bekommt monatlich 14.313 Euro Gehalt und außerdem eine steuerfreie Kostenpauschale in Höhe von 4000 Euro. Das ist doch was.

Uli Gellermann
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Der von Uli Gellermann beschriebene Verbrecher - Schäuble - hatte kürzlich die Stirn, zu behaupten, man werde ihm im von eigener Hand kolonisierten und ausgeplünderten Griechenland eines Tages noch Denkmäler errichten. Und ich glaube der meint...

Der von Uli Gellermann beschriebene Verbrecher - Schäuble - hatte kürzlich die Stirn, zu behaupten, man werde ihm im von eigener Hand kolonisierten und ausgeplünderten Griechenland eines Tages noch Denkmäler errichten. Und ich glaube der meint das noch nicht mal als Provokation. Angesichts der menschenverachtenden Verblendung der neoliberalen Heilsbringer vom Schlage Schäuble fällt es mir zu schwer sachlich zu bleiben. Schön, dass dies Herrn Gellermann in diesem wunderbaren Artikel trotz allem noch so gut gelingt!

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Marc Britz
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Hätte ich Yanis Varoufakis noch auftreten lassen sollen?

Uli Gellermann
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Schlimmer wäre es nur, wenn so jemand Finanzminister würde.

Gerhard Guldner
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Ein Kabinettstückchen aus Deinem keyboard!
Danke!
Johannes Maria grüßt aus Marburg

Johannes M. Becker, Privatdozent Dr.
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Angesichts des Anliegens von Frau Pau finde ich es falsch, sie zur Witzfigur zu machen.

Hannes Kemper
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Philosemitismus ist eine Welt-Anschauung. Offenkundig keine Welt-Erkenntnis.

Uli Gellermann
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Ich werde Ihnen die Arztrechnung schicken! Meine Lachkrämpfe halten immer noch an.

Ben Witte
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Als Lesetipp und der Schäuble-Artikel ist einen Klick wert. Falls jemand wissen will, warum die politische Klasse unbeliebt ist und Sozialdemokratie bei Lohnabhängigen keine Perspektive vermittelt.
"Das letzte Volk, dass sein Land so billig...

Als Lesetipp und der Schäuble-Artikel ist einen Klick wert. Falls jemand wissen will, warum die politische Klasse unbeliebt ist und Sozialdemokratie bei Lohnabhängigen keine Perspektive vermittelt.
"Das letzte Volk, dass sein Land so billig abgegeben hat, wie die Ostdeutschen, waren die Apachen"

NDR, extra 3

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Dari Vo
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Und wieder einmal ein echter "Gellermann", danke lieber Uli für den satirisch-ironischen Text mit bitterernstem Hintergrund. Wenn die Vertreter im "Hohen Haus" nicht nur einen Blick zurück, sondern vielleicht auch über den eigenen Tellerrand...

Und wieder einmal ein echter "Gellermann", danke lieber Uli für den satirisch-ironischen Text mit bitterernstem Hintergrund. Wenn die Vertreter im "Hohen Haus" nicht nur einen Blick zurück, sondern vielleicht auch über den eigenen Tellerrand getan hätten, wäre ihnen noch ein anderer Grund eingefallen, dem Mann dieses hohe Amt zu verweigern: Als wirtschaftlicher Strangulierer südeuropäischer Länder muss seine Wahl mit so viel Zustimmung auch wie eine Bestätigung seiner verbohrten Ideologie "money first" wirken. Was zählen da schon die Belange von Menschen?!

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Kostas Kipuros
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Mal wieder ein Highlight. Wo "Gellermann" drauf steht, da ist Ironie, Satire, zuweilen auch Sarkasmus nicht fern. Dazu bedarf es einer guten Beobachtungsgabe und nicht zuletzt hervorragender Menschenkenntnis.
Ich sage immer: Seine rosaroten...

Mal wieder ein Highlight. Wo "Gellermann" drauf steht, da ist Ironie, Satire, zuweilen auch Sarkasmus nicht fern. Dazu bedarf es einer guten Beobachtungsgabe und nicht zuletzt hervorragender Menschenkenntnis.
Ich sage immer: Seine rosaroten Paarhufer am Gang erkennen können, das kann nicht jeder. Uli Gellermann ist darin unübertroffen.

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Ingrid Böhm-Duwe
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Für unseren erolgreichsten Finanzminister aller Zeiten (noch vor Seyss-Inquart) muss ich jetzt doch eine Lanze brechen: die 100.000 Mark sind doch Peanuts im Vergleich zu den 2 Millionen seines Ex-Chefs oder den Waschgeld "jüdischen"...

Für unseren erolgreichsten Finanzminister aller Zeiten (noch vor Seyss-Inquart) muss ich jetzt doch eine Lanze brechen: die 100.000 Mark sind doch Peanuts im Vergleich zu den 2 Millionen seines Ex-Chefs oder den Waschgeld "jüdischen" Vermächtnissen der Hessen-CDU oder den 4 Millionen Waschgeld der F J Strauss-Sprösslings.

Im Vergleich zu diesen unorganisierten Verbrechern ist Wolfgang Schäuble doch ein strahlender Prinz auf weissem Rössle.

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Günther Mann
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