Neujahrsansprachen heißen so, weil sie zu Anfang eines neuen Jahres gesprochen werden. Aber auch, weil man in ihnen Neues vermuten könnte. Wer sich anläßlich der 13. Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin die Zeit genommen hatte, vor dem TV-Gerät zu sitzen, erlebte Erstaunliches: Ja, sie bewegte den Mund, ja, man vernahm Geräusche, ja, sie hatte so etwas wie eine Mimik. Aber es gab schon Zombies, die mehr Regungen von sich gegeben haben als diese Frau.

Zu Beginn versuchte es Frau Merkel mit einem Trick: Es gäbe, stellte die Kanzler-Darstellerin fest, es gäbe die einen, die würden dies sagen. Aber, nach einer undramatischen Pause, es gäbe andere, die würden jenes sagen. Dann kramte die Frau unterhalb ihres eigenen Niveaus und beförderte diesen Satz vor die Kamera: „Beides sind Realitäten in unserem Land: der Erfolg und die Zuversicht, aber auch die Ängste und die Zweifel.“ Es gibt JENES und DIESES will uns der Trick erzählen. ICH aber stehe über den Unterschieden. ICH schwebe über den Wassern wie einst der Geist Gottes anläßlich der Erschaffung der Welt.

Und wirklich erschafft Angela Merkel in ihrer Rede eine andere Welt: Ihr eigenes Parallel-Universum. In diesen Anderwelten finden Kriege einfach nicht statt und wenn doch, dann auf keinen Fall mit deutscher Beteiligung. Ganze Kontinente, wie jener, dem ein gewisser Herr Trump vorsteht, sind im Nebel der Welterschaffung verschwunden. Weder gibt es in diesem Legendenwald das brutale Wort DIESEL noch den Umweltvergiftungsmotor selbst. Wie ein stotterndes Echo klingt in ihrer Rede das Wort Europa vier Mal auf. Doch in Merkels imaginierter Wirklichkeit gibt es keinen Brexit, keine Flüchtlingsquote, keine EU-Steueroasen. Und wer böse Wörter wie Armut, Obdachlosigkeit oder Mietsteigerung gehört haben will, der hat sich verhört: Eisern schweigt sich die Kanzlerin aus, wenn es um Soziales geht. Oder versteckt es in Giftsätzen wie jenem, der von Menschen handelt, „Die nicht mit dem Tempo unserer Zeit mitkommen.“ – Du läufst einfach nicht schnell genug, Hartz-Vier-Bettler.

Dann, gegen Ende der Rede, wimmert ein Dank an Polizisten aus dem elektronischen Kasten, die „Silvesterfeiern im Land schützen“ wie auch ein Dank an Soldaten, „die hier zulande oder in den Auslandseinsätzen ihren Dienst für unser Land tun.“ Ein bisschen Knallerei muss sein. Im Spreebogen oder in Kabul. Wer jetzt nach dem Arzt rufen wollte, sollte lieber seinen Volksempfänger samt „Tagesschau“ und HEUTE aus dem Fenster werfen. Das diente zumindest der eigenen Gesundheit. Die Rednerin scheint unheilbar.

Wenn Frau Merkel am Schluß Gottes Segen für das neue Jahr 2018 herbei fleht, wird nicht nur der gewöhnliche CDU-Wähler mit dem Kopf nicken. Wir alle sind in Gottes Hand, teilt uns die Kapitänin des deutschen Schiffes mit. Der nächste Eisberg wird einfach verschwiegen. Das war im alten Jahr so, warum nicht auch im neuen. Der Lotse hält sich die Augen zu, und wenn es trotzdem kracht, dann war es eben Gottes Wille. Amen.

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Liebe Rationalgaleristen,

Das war das passende Wort zu A.M. und zum zu Ende gehenden Jahr. Von Volker Pispers stammen diese Erkentnisse: https://www.youtube.com/watch?v=QUuPzxEnMBg und https://www.youtube.com/watch?v=EFD1qU_oQvY. Die Ehrlichkeit...

Liebe Rationalgaleristen,

Das war das passende Wort zu A.M. und zum zu Ende gehenden Jahr. Von Volker Pispers stammen diese Erkentnisse: https://www.youtube.com/watch?v=QUuPzxEnMBg und https://www.youtube.com/watch?v=EFD1qU_oQvY. Die Ehrlichkeit gebietet es zu sagen: dieses Volk hat es nicht besser verdient.

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Samy Yildirim
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Sehr geehrter Herr Gellermann. Ihnen und allen "Galeristen" wünsche ich ein frohes und gesundes 2018.
Wenn uns doch Frau Merkel anlässlich ihrer Neujahrsansprache ihr Kartoffelsuppen- Rezept verraten hätte, dann hätte diese Ansprache einen...

Sehr geehrter Herr Gellermann. Ihnen und allen "Galeristen" wünsche ich ein frohes und gesundes 2018.
Wenn uns doch Frau Merkel anlässlich ihrer Neujahrsansprache ihr Kartoffelsuppen- Rezept verraten hätte, dann hätte diese Ansprache einen gewissen Wert gehabt.

Die besten Grüße aus Düsseldorf.

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Michael Riecke
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Das neue Jahr fängt gut an, weil wir einen Uli Gellermann haben! Hoch soll er leben und all die, die mit schonungslosem Witz die Waffen schärfen gegen diese üble Bande. 2018 geht es euch an den Kragen!

Elke Zwinge-Makamizile
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Schlagen, entblößen wir sie (auch) mit ihren eigenen Waffen, mit ihrer eigenen Dummheit!

Ich wünsche allen Beteiligten weiter einen klaren Kopf und viel Lebensfreude!

Johannes M. Becker
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Das ist die Sprache die wir brachen: Kalt, unbarmherzig und Treffsicher. So nehmen wir auch im neuen Jahr den Kampf auf! Danke!

Dora Benker
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Wenn jetzt auch noch die Lämmer das Schweigen beenden würden . . .
Danke für diesen und die vielen anderen Artikel der Extra-Klasse.

Gert Wehner
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Merkel - Vernebelungstechnik:
Mediales Opium für's Volk. Die öffentlich-rechtlichen Dealer liefern es für nur 17,50 ?
Zwangsgebühr pro Monat.
Tagesscheu.

Benny Thomas Olieni
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Zu der Kollision mit einem Eisberg fällt mir folgende Geschichte ein (altes Fachbuch aufgepasst):

Zwei Diamantenhändler treffen sich in New York um zu dealen. Der amerikanische Jude Itzhak und der Chinese Chen.

Erst einmal haut der Itzhak dem...

Zu der Kollision mit einem Eisberg fällt mir folgende Geschichte ein (altes Fachbuch aufgepasst):

Zwei Diamantenhändler treffen sich in New York um zu dealen. Der amerikanische Jude Itzhak und der Chinese Chen.

Erst einmal haut der Itzhak dem Chen eins auf die Backe und sagt:
"Das war für den Angriff auf Pearl Harbor."

"Das waren nicht die Chinesen, das waren die Japaner!', schreit Chen.
"Chinesen, Japaner, alles dasselbe", sagt Itzhak darauf.

Eine Woche später treffen sie sich wieder.

Da haut der Chen dem Itzhak eins auf die Backe und sagt:
"Das war für den Untergang der Titanic."

Itzhak hält sich die Backe und schreit:
"Das waren nicht die Juden, das war ein Eisberg!"

"Iceberg, Goldberg, all the same", sagt der Chen darauf.

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Klaus Bloemker
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Zumindest nach dem Text von was Heinrich Heine die "Marseiller Hymne der Reformation" nannte, hat zumindest die protestantische Bevölkerung die Kanzlerin, die sie verdient. Hier die vierte Strophe aus "Ein Feste Burg ist Unser Gott:"

"Das Wort...

Zumindest nach dem Text von was Heinrich Heine die "Marseiller Hymne der Reformation" nannte, hat zumindest die protestantische Bevölkerung die Kanzlerin, die sie verdient. Hier die vierte Strophe aus "Ein Feste Burg ist Unser Gott:"

"Das Wort sie sollen lassen stahn
und kein Dank dazu haben;
Gott ist bei uns wohl auf dem Plan
mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib:
lass fahren dahin,
sie haben´s kein Gewinn,
das Reich muss uns doch bleiben."

Es ist das Verdienst Uli Gellermanns für alle jene immer wieder unerschrocken das Wort zu erheben, die sich hier im Diesseits keineswegs Leib, Gut, Ehr und Familie nehmen lassen wollen, bloss weil ihnen von wem auch immer irgendwo ein Himmelreich versprochen wird, während sie von diesen Sonntagsrednern gleichzeitig auf dem Altar der Rendite geopfert werden.

Ich wünsche Ihm und allen Mitstreitern hier auf der Rationalgalerie ein frohes neues Jahr mit viel Freude, Kraft und Mut für unseren Kampf gegen politisch untote wie die Nicht-Kanzlerin Angelika Merkel.

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Marc Britz
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Merkel "unheilbar"? "Der Lotse [= Merkel] hält sich die Augen zu?" ? Sorry, aber: Nein. Merkel ist nicht "krank", sondern sie verfolgt zielgerichtet eine Kriegs- und Armutspolitik. Sie ist auch kein Lotse, der sich die Augen zu hält, sondern...

Merkel "unheilbar"? "Der Lotse [= Merkel] hält sich die Augen zu?" ? Sorry, aber: Nein. Merkel ist nicht "krank", sondern sie verfolgt zielgerichtet eine Kriegs- und Armutspolitik. Sie ist auch kein Lotse, der sich die Augen zu hält, sondern einer, der bewusst auf den Eisberg zusteuert: JEDEM ist klar, dass es zu mehreren Katastrophen kommen MUSS (sozial, ethnisch, ökologisch?), wenn Merkel so weiter macht ? aber "wir" lassen sie weiter machen. ("Wir" = das von den US-treuen Medien verblödete Stimmvieh.) Ach ja: Und das Fantasiegebilde "Gott", an das die VerbrecherInnen selbst nicht glauben (sonst müssten sie eine Heidenangst vor der Hölle haben), wird wieder einmal heran gezogen, um die Machtpolitik der realen, sterblichen Götter (die oberen 0,01%) zu kaschieren. Verlogener geht es nicht. Und lügen tut man nun einmal nicht aus Unwissenheit, sondern mit Absicht. Und das macht sie zu Kriegsverbrechern, für die man eben nicht solche verharmlosenden Ausdrücke wie "(un)heilbar" verwenden sollte. Trotzdem Dank für diesen und alle anderen Artikel!

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Bernd Kulawik
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