Alle lieben Gregor Gysi, na gut, vielleicht Angela Merkel nicht. Aber sonst kann kaum eine Talkshow an ihm vorbei. Immer charmant, immer witzig und schlagfertig. Und die wenigen, die den Entertainer der Linkspartei nicht mögen, die sind vom Neid geritten. Doch während bis gestern manche amüsierte Betrachter den Gregor nur für einen heiteren Linken allgemeiner Provenienz gehalten haben, erkennt eine erstaunte Öffentlichkeit nun den tiefen Denker, den Mann für´s Große, den wahren Welten-Grübler und überwältigenden Internationalisten. Denn Gregor Gisy will die NATO Auflösen! Jetzt mag diese oder jener denken: Kenn ich schon, die Linkspartei will doch schon die ganze Zeit raus aus der NATO, was soll daran neu sein? Falsch. Das neue Gisy-Wort heißt nicht AUSTRITT, es heißt AUFLÖSung.

Der Vordermann der Linkspartei sagt klar und über den Tag hinaus zur bisherigen Linie seiner Partei, die nur den kleinteiligen "Austritt" aus der NATO will: "Das ist mir zu national gedacht. Das hieße ja, die NATO bleibt wie sie ist, nur Deutschland nimmt nicht mehr daran teil." Da isser, der InterNATOnalist. Obwohl, das hätte er auch früher sagen können. Vor diesen dummen Parteiprogrammen der LINKEN, die immer nur vom Austritt schreiben. Denn für Gysi ist klar: Wenn die Deutschen aus der NATO träten, würden die anderen in der NATO machen was sie wollten! Vielleicht gar einen Krieg, in Afghanistan oder in Libyen, oder so. Nee, nee, man darf die USA oder die Engländer und Franzosen auf keinen Fall alleine lassen!

Natürlich will Gysi nicht einfach in der NATO bleiben. Das könnte ihm ja falsch ausgelegt werden. So, als würde er nur den Quatsch wiederholen, den die anderen Parteien vor der Existenz der Linkspartei gebetet haben: "Wir bleiben drin, obwohl der kalte Krieg zu Ende ist!" Nein, unser Gregor denkt groß: Wenn es nach ihm ginge, dann würde die NATO in ein neues System für Sicherheit und Zusammenarbeit überführt. So eine Art UNO, nur besser bewaffnet. Mit Russland, Nordkorea und Aserbaidschan und wem auch immer. Zack, würde sich die NATO auflösen und das neue Bündnis könnte endlich die Weltregierung ansteuern, die wir alle doch im Grunde unsers Herzens anstreben. Und Gregor würde Präsident, oder besser: Inter-Papst.

Aber Gysi wäre nicht Gysi, wenn er bei einem kurzen, harten Schlag gegen den Nationalismus stehen bleiben würde. Denn seine offenkundig blöde Partei will vor den Europa-Wahlen tatsächlich über die EU programmatisch sagen, die sei eine "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht". Zwar steht das so oder so ähnlich schon im Erfurter LINKEN-Programm, mit überwältigender Mehrheit verabschiedet, aber was sind dem Vordenker Mehrheiten: "Ich bin sicher, dass da noch etwas geändert wird", sagt Gregor, und auch: "Für uns linke Internationalisten gibt es kein Zurück zum früheren Nationalstaat. Wir müssen Befürworter der europäischen Integration sein." Nun hat zwar keiner aus seiner Partei gesagt, man wolle raus aus der EU. Aber man kann ja nie wissen, denkt sich der Internationalist und beugt vor. So wie bei der NATO hat er sicher einen tollen Plan für die EU. Auflösen vielleicht und in neues, besseres System überführen. Er wird ihn uns mitteilen, wenn er mal Zeit hat, zwischen zwei Talkshows vielleicht.

Gregor ist die Hoffnung aller: Der hungernden Griechen empfinden zwar die EU-Politik als Scheiss-Neoliberal, aber Gregor eine Lösung wissen. Er ist auch die Hoffnung jener, die in der EU eine Maschine sehen, die seit Jahr und Tag, ohne demokratische Legitimation Banken-Rettungsschirme betreibt, aber Gregor wird einen Ausweg finden, vielleicht gar einen Auflös . Und er ist auch die Hoffnung der somalischen Fischer, die vom militärischen Arm der EU, den EUFOR-Streitkräften vor den Piraten geschützt werden. Na, gut, sie hatten vielleicht gedacht, die EU-Fregatten würden die internationalen Fischfang-Flotten vor ihrer Küste vertreiben, die ihnen die Existenzgrundlage wegfangen. Aber immerhin sind die EU-Kriegsschiffe schon mal da. Der Anfang ist gemacht, den Rest wird Gregor schon erledigen, irgendwie ein besseres System erfinden.

Diese titanische Gedankenarbeit, dieser geradezu brutale Internationalismus, wer dankt es Gysi? Es gäbe da immerhin die ESDP-Medaille (European Security and Defence Policy). Sie ist eine Auszeichnung für Militärpersonen der EU, die an Auslandseinsätzen teilgenommen haben. Und so ein Internationalist, der ist eigentlich immer im Auslandseinsatz. Und weil auf der Rückseite des versilberten Ordens immerhin PRO PACE UNUM (Gemeinsam für den Frieden) steht, müsste eigentlich auch seine dusslige, eher pazifistische Partei zufrieden sein, wenn Gregor das Ding "an einem blauen Band mit einem breiten gelben Mittelstreifen auf der linken Brustseite" baumeln hat. Noch vor dem Europa-Parteitag der LINKEN. Das wäre mal ein Signal, das die Völker glatt ins letzte Gefecht treiben könnte.

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Brillant!

Christian Harde
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Abr dass müssen doch verstehen: Wer in die nächste Koalitionsregierung will, der muss in der NATO bleiben. Also macht Gysi den Joschka. Das kann er seinen Genossen natürlich nicht offen sagen. Also "löst er die NATO auf". Er muss seine Leute für...

Abr dass müssen doch verstehen: Wer in die nächste Koalitionsregierung will, der muss in der NATO bleiben. Also macht Gysi den Joschka. Das kann er seinen Genossen natürlich nicht offen sagen. Also "löst er die NATO auf". Er muss seine Leute für ziemlich blöd halten.

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Vera Graeter
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Mir gefällt der höhnische Ton Ihres Artikels nicht. Immerhin ist die LINKE die einzige Partei im Parlament, die sich bisher gegen die Auslandseinsätze gewehrt hat. Wenn Herr Gysi jetzt Überlegungen anstellt, wie man die NATO modifizieren kann,...

Mir gefällt der höhnische Ton Ihres Artikels nicht. Immerhin ist die LINKE die einzige Partei im Parlament, die sich bisher gegen die Auslandseinsätze gewehrt hat. Wenn Herr Gysi jetzt Überlegungen anstellt, wie man die NATO modifizieren kann, dann verstehe ich das als einen Schritt zur Abrüstung.

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Werner Mutzenbach
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Lieber Ulli, ich bin voll bei Dir! Wenn´s nur nicht so traurig wäre, denn dann könnte man es als übliches Politiktheater abtun. Die jüngsten geistigen Ergüsse von Gregor sind alarmierender Ausdruck für das aktuelle (außen-)politische Denken...

Lieber Ulli, ich bin voll bei Dir! Wenn´s nur nicht so traurig wäre, denn dann könnte man es als übliches Politiktheater abtun. Die jüngsten geistigen Ergüsse von Gregor sind alarmierender Ausdruck für das aktuelle (außen-)politische Denken unserer Linken. Selbst klar definierte sogenannte Haltelinien der PDL werden von ihren Führungsmitgliedern immer wieder auf´s Neue in Frage gestellt und damit letztlich ad adsurdum geführt. Klare, linke Positionen zu NATO und EU werden wieder einmal auf dem Altar der Macht geopfert, in der Hoffnung darauf, dass SPD & Co. und die neuen grünen Liberalen die neuen linken Sozi´s mitnehmen. Ein verdammt gefährliches und verantwortungsloses Spiel! So wird rechte Politik begünstigt und gefördert, anstatt ihr Einhalt zu gebieten. Die nächste Quittung dafür gibt es mit Sicherheit bei den Europawahlen.

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Manfred Calvelage
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Wie mir scheint haben Sie den medialen Gregor ganz gut durchschaut.
Neben seiner Eloquenz, seinem Wortwitz und seiner Spritzigkeit - alles Atribute eines großen Oppositionisten- fällt er mir immer wieder durch seine stark ausgeprägte Eitelkeit ab....

Wie mir scheint haben Sie den medialen Gregor ganz gut durchschaut.
Neben seiner Eloquenz, seinem Wortwitz und seiner Spritzigkeit - alles Atribute eines großen Oppositionisten- fällt er mir immer wieder durch seine stark ausgeprägte Eitelkeit ab. Er füllt seine Rolle ganz gut aus. - Trotzdem: Der Mann ist auch nur mit Vorsicht zu geniessen...

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Christoph Pauli
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Was soll ich sagen? Ich möchte Dir danken, aber: es ist grauenhaft, worüber Du berichtest - aber schon so oft wiederholt worden, dass es einen ankotzt: diese Figur des Slider. Den Joschka machen, wieder mal. Wir könnten uns längst die Fragen...

Was soll ich sagen? Ich möchte Dir danken, aber: es ist grauenhaft, worüber Du berichtest - aber schon so oft wiederholt worden, dass es einen ankotzt: diese Figur des Slider. Den Joschka machen, wieder mal. Wir könnten uns längst die Fragen sparen, weshalb sind die Bürger sich politisch nicht einmischen: Es kotzt sie an!

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Klaus-Jürgen Bruder
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Ja der Gysi, der dümpelt schon zu lange in dem großen Haifischbecken und hat seinen Biss verloren. Nun ist er eine zahnlose Moräne und treibt wie eine breitgeklopfte Flunder mit charmanten Lächeln aber substanzlos im Meer der Bosheit dahin.

Moyra Mangold
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Oh weh, da will aber einer dem Genossen Gregor mal richtig eins mitgeben, was wohl schon lange überfällig war. Jedenfalls ist zunächst einmal zu wünschen, dass es Ihnen nach dem Verfassen dieses Artikels (eigentlich wollte ich ja schreiben "nach...

Oh weh, da will aber einer dem Genossen Gregor mal richtig eins mitgeben, was wohl schon lange überfällig war. Jedenfalls ist zunächst einmal zu wünschen, dass es Ihnen nach dem Verfassen dieses Artikels (eigentlich wollte ich ja schreiben "nach dem Toilettengang dieses Artikels", aber ich schreib´s nicht) deutlich besser ging und geht! Das ist ja das Tolle an Ihrer Rationalgalerie: Sie dürfen in Personalunion gleichzeitig immer leidender Patient und Ihr eigener Therapeut, gleichzeitig Opfer und Täter sein.

Sie haben ja Recht: Der Gysi ist schon ein selten eitler, narzisstischer Populist, der sich gleichermaßen um seine speichelleckende Entourage wie auch diejenigen, die diese Talkshowdauerfresse zum Kotzen finden, sicher keine Sorgen machen muss. Mir persönlich könnte vor allem immer dann die Hand ausrutschen, wenn der triefend eitle Sack nach einer (von ihm so verstandenen) Pointe den selbstgefälligen Blick ins jeweilige Talkshow-Rund oder Halbrund schweifen lässt, um die bewundernde Zustimmung der anderen Plauderer abzuholen. Schüttel! Auf der anderen Seite habe ich in den letzten Jahren von niemandem (!) solche mitreißenden (ja: mitreißend!) Bundestagsreden zu Europa oder gegen den Bellizismus in diesem Land gehört und gesehen wie eben von diesem Mann! Meine Haltung diesem Politiker gegenüber ist deshalb von geradezu harmonischer Ambivalenz. Und ich halte, vor allem retrospektiv gesehen, diesen Typen für nachgerade unverzichtbar für die Linke in Deutschland!

Ihre vorgebrachte Kritik teile ich aber natürlich umfassend: Ein wirklich selten dämliches Gequassel zur unrechten Zeit. Inklusive freilich der immer schwer erträglichen Ich-bin-das-Licht-und-der-Weg-Pose, die so viele Statements des brillanten Rhetorikers umflort – und den Weg dann oft glitschig und düster macht. Der Partei ist in dieser Angelegenheit natürlich dringend zu wünschen, dass sie sich von dem Dampfplauderer nicht irritieren lässt. Aber diese Power, diese Verve zur Abrechnung verstehe ich trotzdem nicht in Ihrem Artikel. Da müsst Ihr zwei doch geradezu persönlich ein Ding am Laufen haben, um so dermaßen zu platzen, oder? Oder aber es ist bloß der ganz normale, altbekannte und gewöhnliche – immer tief schlagende – Streit unter Linken, also sozusagen ein längst mal wieder fälliger Tribut an den linken Markenkern?

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Reyes Carrillo
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Gregor Gysi kenne ich vom Sehen: Da kann nichts Persönliches draus resultieren. Eher habe ich ihn lange als eine sehr angenehme Kontrastperson zum allgemeinen Politikbetrieb empfunden. Aber ich bin sehr einfach demokratisch gestrickt: Wenn...

Gregor Gysi kenne ich vom Sehen: Da kann nichts Persönliches draus resultieren. Eher habe ich ihn lange als eine sehr angenehme Kontrastperson zum allgemeinen Politikbetrieb empfunden. Aber ich bin sehr einfach demokratisch gestrickt: Wenn Mehrheiten, in diesem Fall eine, die sich in einem Parteitag artikulierte, von einem einzelnen Menschen geändert werden wollen, dann mag ich das nicht. Gysi verknüpft solche Wendungen gern mit einer Rücktrittsdrohung, so schon auf dem Erfurter Parteitag, als er die komplette Partei infrage stellte, um seine Personalvorstellung durchzusetzen. Außerdem beleidigt er mit seinem Spruch von der "Auflösung der NATO", die er dann als "Internationalismus" ausgibt, einfach meine Intelligenz. Soll er doch offen sagen, dass er eine Koalition anstrebt und gern Außenminister würde. Das wäre zumindest ehrlicher.

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Uli Gellermann
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Man sollte doch immer den Leuten von WIKILeaks glauben. Aus dem SPIEGEL vom 18. 12. 2010:

"Peinliche WikiLeaks-Enthüllung: Offiziell will die Linke die Nato abschaffen. Doch Fraktionschef Gregor Gysi beruhigte US-Botschafter Philip Murphy, die...

Man sollte doch immer den Leuten von WIKILeaks glauben. Aus dem SPIEGEL vom 18. 12. 2010:

"Peinliche WikiLeaks-Enthüllung: Offiziell will die Linke die Nato abschaffen. Doch Fraktionschef Gregor Gysi beruhigte US-Botschafter Philip Murphy, die Forderung sei nur vorgeschoben, um Fundis in der Partei ruhigzustellen. Das zeigt eine Geheimdepesche, die dem SPIEGEL vorliegt."

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/forderung-nach-nato-aufloesung-gysi-plauderte-ueber-linke-placebo-politik-a-735428.html

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Irene Holtkamp
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Volle Zustimmung zu R. Carrillos: Bin auch hin- und hergerissen: Brillante Reden im Bundestag, zuletzt die `Duckmäuser-Rede zur causa NSA´ http://www.youtube.com/watch?v=hp0FVvpfbFU
und im Hinterkopf das ganz üble Gemauschel mit dem US-Botschafter...

Volle Zustimmung zu R. Carrillos: Bin auch hin- und hergerissen: Brillante Reden im Bundestag, zuletzt die `Duckmäuser-Rede zur causa NSA´ http://www.youtube.com/watch?v=hp0FVvpfbFU
und im Hinterkopf das ganz üble Gemauschel mit dem US-Botschafter
(s. Kommentar von Frau Holtkamp) - Wo steht der Mann? Hinter dem Erfurter Programm und der Einheit der LINKEN - oder folgt er einer anderen AGENDA, die womöglich vorsieht, auch die LINKE als pazifistische Partei zu desavouieren oder gar zu zerstören, weil mann regieren will ... ?

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Hartmut C. Hoffer
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