Die Tage werden kürzer, der Verstand der öffentlichen deutschen Debatte auch. Rund 60.000 Treffer erzielt eine Google-Anfrage nach der Jahreshauptversammlung des FC Bayern. Kaum ein Drittel davon erreicht man, wenn man nach dem aktuellen NSA-Untersuchungsausschuss fragt. Während der Club der Millionäre Medienwellen generiert, plätschert der Skandal der millionenfachen Kontrolle privater Kommunikation durch eine fremde Macht so vor sich hin. Dabei hat gerade die jüngste Sitzung des Ausschusses ein neues Demokratie-Monster entdeckt: Zwar gibt es ein gut gemeintes Gesetz - darf vor dem Ausschuss ein BND-Jurist erzählen - das die Menge der spionierten Fakten aus einer Daten-Leitung begrenzt. Aber das macht nichts, bestätigt der Jurist stolz: Die errechnete Menge kann, je nach Leistung der Leitung, die kompletten erfassten Daten betragen.

Vor etwa einem Jahr hatte die Karikatur einer deutschen Kanzlerin, nachdem auch ihr eigenes Handy von Obamas Spionen angezapft worden war, vor dem Parlament erklärt: "Das transatlantische Verhältnis und damit auch die Verhandlungen für ein transatlantisches Freihandelsabkommen werden ganz ohne Zweifel durch die im Raum stehenden Vorwürfe gegen die USA auf eine Probe gestellt". Längst ist der Raum mit belastbaren Informationen angefüllt: Der Bundesnachrichtendienst (BND) kooperierte mit der NSA beim Schnüffeln an deutscher Unterwäsche, ein Mitarbeiter des Dienstes leitete vom BND gesammelte Daten über den NSA-Bundestagsausschuss an die NSA weiter, und der Obmann des Ausschusses bekannte öffentlich, er habe Anhaltspunkte, dass alle vier Obleute der im NSA-Untersuchungsausschuss vertretenen Parteien abgehört worden seien.

Die Merkel hat damals, als sie Aufklärung forderte, wissentlich gelogen. Denn nach ihrer öffentlichen Schein-Empörung stellte der Generalbundesanwalt das Verfahren wegen des Abhörens des Kanzlerhandys ein. Er wird bestreiten, dass er das auf Weisung getan hat, aber keiner wird ihm glauben. Manche Weisungen aus dem Kanzleramt sind beweisbar: Per Drohbrief kündigte das Amt jenen Ausschussmitgliedern eine Strafanzeige an, falls sie sich über ihre Erkenntnisse öffentlich äußern sollten. Die Bundesregierung stuft Akten, die sie dem Ausschuss zur Verfügung stellt, als "streng geheim" ein. Das macht sie auch bei Zeugenbefragungen. Und so stellt sie Knast-Bedingungen für die Ausschussmitglieder her: Die dürfen ihre Notizen nach der Befragung nicht behalten, sondern müssen sie in einer sogenannten "Geheimhaltungsstelle" abgeben. Medien dürfen über die vom Ausschuss recherchierten Inhalte nicht informiert werden.

Vom "Untersuchungsausschuss" als Mittel der parlamentarischen Kontrolle erzählt der Artikel 44 des Grundgesetzes. Die Wirklichkeit hält dem schönen Märchen nicht stand: Einmal musste eine Sitzung des NSA-Ausschusses vorzeitig abgebrochen werden, weil der befragte BND-Mitarbeiter mehr und vollständigere - also nicht geschwärzte Unterlagen - zur Vorbereitung erhalten hatte als der Untersuchungsausschuss selbst. Der BND war eine Gründung alter Nazis in der jungen Bundesrepublik. Doch immerhin hat er eine gesetzliche Grundlage: Das BND-Gesetz. Da steht auch dieser Teil einer demokratischen Büttenrede drin: "Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus." Klatschmarsch. Wäre des Kanzleramt, dem der BND untersteht, an einer annähernden Gesetzeskonformität interessiert, müsste es eine Gesetzesänderung einbringen: "Der BND sammelt im Inland Erkenntnisse, um sie dem Ausland (der USA) zur Verfügung zu stellen". Aber zu so viel Wahrheit kann sich die Lügentruppe im Amt nicht durchringen.

Dass die Regierungsparteien an einem Instrument der Schein-Demokratie interessiert sind, ist verständlich. Können sie doch nach dem Abschlussbericht - der natürlich wegen des "Staatswohles" der Geheimhaltung unterliegen wird - stolz verkünden: Alles ist aufgeklärt was aufzuklären war, der Demokratie ist genüge getan. Was aber reitet die Opposition, diesem Ausschuss, der nur in Handschellen und mit Augenbinde agieren darf, den Anstrich von Legalität und Legitimität zu verleihen. Hätte die Opposition ein Rückgrat, dann würde sie den Ausschuss verlassen und so seine Auflösung befördern. Stattdessen schluckt sie brav das Placebo der Doktor Merkel. Wohl bekomm´s.

Kommentare (19)

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Sehr aufschlussreich ist das Interview des NSA Whistleblowers William Binney, der sechs Stunden lang als Zeuge vorm NSA Untersuchungsausschuss befragt wurde. Er beleuchtet unter anderem die Beziehungen zwischen BND und NSA in der Spionageaffäre.
Da...

Sehr aufschlussreich ist das Interview des NSA Whistleblowers William Binney, der sechs Stunden lang als Zeuge vorm NSA Untersuchungsausschuss befragt wurde. Er beleuchtet unter anderem die Beziehungen zwischen BND und NSA in der Spionageaffäre.
Dass nach all den Snowden Enthüllungen jetzt auch noch 300 Millionen Euro zusätzlich für den BND bereitgestellt werden sollen, um noch besser mitspionieren zu können, ist ein Schlag auf den Kopf jeden Bürgers.

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Christoph Pauli
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Das Problem heißt (Schein-)"Demokratie". Wir müssen daran arbeiten die zu verbessern. Hier ein Vorschlag:

4. Vorschlag: Abwählen durch Volksabstimmung

Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene wird es dem Bürger ermöglicht, während der laufenden...

Das Problem heißt (Schein-)"Demokratie". Wir müssen daran arbeiten die zu verbessern. Hier ein Vorschlag:

4. Vorschlag: Abwählen durch Volksabstimmung

Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene wird es dem Bürger ermöglicht, während der laufenden Legislaturperiode durch Volksabstimmung Abgeordnete, Minister/in und Kanzler/in, Kommunalvertreter und Bürgermeister abzuwählen.

Begründung:

Diese basisdemokratische Maßnahme erschwert es, irgendetwas zu versprechen, um Wahlen zu gewinnen, aber sich anschließend nicht mehr an die Versprechen zu halten.

Die basisdemokratische Abwahlmöglichkeit dient des weiteren der Eindämmung von Lobbyismus und Korruption.

http://geldhahn-zu.de/hier-haben-sie-die-wahl

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Ernst Grobschmied
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Ich möchte auf einen artikel in NachDenkSeiten hinweisen:
Peter Munkelt

Dominanz statt Partnerschaft:
Deutschlands transatlantische Beziehungen unter Geheimdienst-Kontrolle
Begrenzte Souveränität?

nora schmitz-gharbi
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Also an Pat Hall:
Herr Hall, wenn Sie mit mir reden wollen, unterlassen Sie es bitte über mich zu reden und mir gönnerhaft auf die Schulter zu klopfen. Ich werde weder Ihnen noch anderen die andere Backe hinhalten. Für Attitüden Alt-68-er bin...

Also an Pat Hall:
Herr Hall, wenn Sie mit mir reden wollen, unterlassen Sie es bitte über mich zu reden und mir gönnerhaft auf die Schulter zu klopfen. Ich werde weder Ihnen noch anderen die andere Backe hinhalten. Für Attitüden Alt-68-er bin ich auch nicht zu haben.

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Manfred Ebel
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Ja, wen wundert das noch wirklich? Merkel ist doch ein Kind des Schnüffelstaates und hat diesem treu gedient. Genauso wie der Pascha fürs Volk, der es ebenfalls trefflich verstand, sich in der „Schönen Aussicht“ mit Mätresse am Gängelband...

Ja, wen wundert das noch wirklich? Merkel ist doch ein Kind des Schnüffelstaates und hat diesem treu gedient. Genauso wie der Pascha fürs Volk, der es ebenfalls trefflich verstand, sich in der „Schönen Aussicht“ mit Mätresse am Gängelband einzurichten. Vorher hatte man ihn mit „Schwärzen“ betraut, was ihm ja auch nicht unbekannt war. Besonders loyal sind immer die Leute, die ohne besondere Leistung und ohne sich besonders hervorgetan zu haben, auf einen Stuhl gehievt werden, der ihrer Eitelkeit schmeichelt und wo nach „Peter Prinzip“ die Sprossenleiter zu hoch ist.

Und da ja alles im goldenen Westen sich „rechtmäßig“ darstellen muss und - im Zweifel für den Angeklagten - im Falle von „Wiederverwendbarkeit“ großzügig geschwärzt wird/wurde, macht man davon regen Gebrauch. Von den Zweifeln! Im Stasi Unterlagen Gesetz sollen eigentlich die Rechte von Nichttätern geschützt werden. Deshalb gibt es dann nur Kopien von geschwärzten Kopien…. Denn was darunter war/ist geht niemand was an. Ähnlich zu sehen wie die „Entnazifizierung“, wo dann ein solch „Geweißter“ sich Bundeskanzler nennen durfte!

Da hat sich Merkel aber doch völlig „neben der Spur“ verhalten. Ja, hat die etwa ungerechtfertigten Verdacht geäußert? Und voreilig so wackere Laiendarsteller eines Bundesinnenministers und den Mann für besondere Aufgaben über den Teich geschickt? Um dort mal so richtig auf den Tisch des Hauses zu hauen. Der Hausherr jedoch zog pausenlose Abwesenheit vor. Was jedoch die Gesandten ihrer Majestät nicht davon abhielt, ihre Mission als erfolgreich und beendet verkaufen zu wollen. Nun rollte aber der Stein des Anstoßes und ließ sich nicht mehr aufhalten. Genau so wenig wie die wackeren Recken Friedrich und der Pofalla, die das Weite suchten (mussten) und auch fanden…

„Spionieren ist eine schöne Sache, man verschafft sich die Genüsse des Diebes und bleibt dabei ein ehrlicher Mann“ schrieb Nestroy. So kann man, denkt sich die Uckermarkerin, alles tun, man darf sich nur nicht erwischen lassen. Und wenn doch, dann hilft nur eiskaltes Leugnen. Oder von vornherein eine recht dehnbar interpretierbare Gesetzesgebung.

Nachdem wir jetzt von höchstrichterlicher Stelle „weisungsgemäß“ erfahren haben, dass wir eigentlich alle unter Paranoia leiden und keiner jemals böse herumhorchte, was dann natürlich Schwarz auf Schwarz belegt werden kann, erübrigt sich ja dann wohl auch der Hinweis des ehemaligen Hamburger Politikers Dr. Achim Reichert, der befand:

„Nachdem wir jetzt wissen, dass wir millionenfach abgehört werden, ist es ein Gebot der Höflichkeit, neben dem Gesprächspartner auch die Mithörer zu begrüßen“. ?

“Feind hört mit” bekommt angesichts der Lügenregierung einen völlig anderen Stellenwert. Da kommt mir irgendwie auch noch der Spruch des Leipziger Autors Martin Gerhard Reisenberg in den Sinn:

„Die Hitlers kommen und gehen, die Blockwarte aber bleiben.“

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Ingrid Böhm-Duwe
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Mit "Opposition" meinen Sie offensichtlich LINKE und GRÜNE. Ihrer Auffassung nach sollten die also sich eines parlamentarischen Rechtes begeben und auf ihr Recht eines Untersuchungsausschuss verzichten?

Gerd Windhorst
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Wenn der Ausschuss weniger untersucht als verschleiert: Ja.

Uli Gellermann
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Ich gebe Uli Gellermann recht damit, dass sich noch vor den Grünen speziell die Linke aus dem Ausschuss verabschieden sollte. Das wäre ein Ausrufezeichen.

Gisela Jakob
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Äh - welche Opposition?

Hiero Theaterkritiker
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Kann das schon Altersstarrsinn sein,
was diese Frau uns bietet?
Sie nimmt nicht wahr,
was ist und war,
bestreitet, was längst allen klar,
sitzt da wie eingetütet.

Gut beobachtet, Uli Gellermann:
der Lange Schlaf ist eingeläutet.
Vorweihnachtlich sanft,...

Kann das schon Altersstarrsinn sein,
was diese Frau uns bietet?
Sie nimmt nicht wahr,
was ist und war,
bestreitet, was längst allen klar,
sitzt da wie eingetütet.

Gut beobachtet, Uli Gellermann:
der Lange Schlaf ist eingeläutet.
Vorweihnachtlich sanft, um unsere Somnambule aus christlichem Hause nicht aufzuwecken. Dennoch macht sie ihre Sache vortrefflich. Ganz nach Art des Statthalters Pontius Pilatus, der, um Aufruhr zu vermeiden, den Weg des geringsten Widerstands einschlug und jenen Aufrechten, der die Tische der Geldwechsler umwarf, ans Kreuz nageln ließ.
Nun hat Geschichte, wie wir wissen, nicht allein um der Kurzweil willen, Paradigmenwechsel eingebaut. Und so hatte eines Tages Kaiser Tiberius das Sagen und sich des Schuldigen erinnert.
Kopflosigkeit hatte damals noch in des Wortes wahrer Bedeutung Folgen.
Heutigentags gehören Amnesie auf Knopfdruck und Rückgratlosigkeit zur verlässlichen Gesamtausstattung finanz- und konzernhöriger Politiker. Und manipuliert gesetzgeschützt garantiert unblutig. So don´t worry, Angie! Be happy!

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Lutz Jahoda
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Ihre Forderung, die GRÜNEN und LINKEN sollten den NSA-Ausschuss unter Protest verlassen, ist antiparlamentarisch und verkennt die Möglichkeiten, die auch linke Parteien im Parlament haben. Das ist letztlich sektiererisch und führt ins Abseits.

Hans-Werner Bachmann
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Natürlich kann das Parlament im Kapitalismus durchaus als Lautverstärker, als Tribüne genutzt werden. Sind aber die Maßnahmen der Regierung so restriktiv wie im Fall des NSA-Ausschuss, dass oppositionellen Abgeordneten faktisch ein Maulkorb...

Natürlich kann das Parlament im Kapitalismus durchaus als Lautverstärker, als Tribüne genutzt werden. Sind aber die Maßnahmen der Regierung so restriktiv wie im Fall des NSA-Ausschuss, dass oppositionellen Abgeordneten faktisch ein Maulkorb umgehängt wird, dann ist ein Verbleib kontaproduktiv und führt ins politische Nirwana.

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Uli Gellermann
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