Das waren Zeiten: Als der Buchladen um die Ecke noch Basis-Kulturarbeit leistete. Als der Amazon-Leicht-Billig-und-Schnell-Versand sich noch auf die USA beschränkte. In grauer Vorzeit? Eher war es eine bunte Zeit, weil die vielen deutschen Buchhändler der lokalen Kulturarbeit eine eigene Farbe gaben. Mit eigenen Lesungen, mit einer Vielzahl von kleinen Veranstaltungen, mit literarisch interessierten und nicht selten sogar gebildeten, echten Menschen hinter der Theke. Jede Woche verschwinden traditionelle Buchläden. Noch existieren rund 6000 klassische Buchhandlungen in der Bundesrepublik. Doch allein 2014 gaben in Deutschland nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels knapp 150 Buchläden auf. Mehrheitlich verschwanden sie im unersättlichen Schlund von Amazon. Aber Amazon wird nie satt. Der Konzern will jetzt noch mehr: Private Daten. Und neue Herrschaftsfelder im Internet.

Über neun südamerikanische Staaten erstreckt sich der Amazonas. Zu ihnen gehören Brasilien, Französisch-Guayana, Surinam, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien. Seine Ufer bilden nahezu einen Kontinent. Schon länger will das gefrässige Unternehmen “amazon“ diesen Teil der Erde für sich beanspruchen. Nicht mit eigener Flagge oder eigenen Grenzen. Es will die Endung. Die Top-Level-Domain-Endung: "amazon". So wie Deutschland im Internet auf "de" endet, so will das Versand-Monster im Netz auf "amazon" enden. Man will einen Marketing-Vorteil, kostbarer als das Gold der Azteken, Mayas und Inkas. Doch die Gier des modernen Konquistador aus Seattle/Washington ist nicht geringer als die des Hernán Cortés oder des Francisco Pizarro. Nicht so blutig, aber genauso brutal. Vor Jahren hatte die Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) das Begehren des Monsters abgelehnt. Doch diesmal haben die mit unendlich vielen Dollars bewaffneten Rechtsanwälte des Konzerns gute Aussichten am 21. April den fetten Marketing-Happen zu ergattern. Angeblich, so die "Icann", hat "amazon" die Vorbedingungen für die Vergabe der kostbaren Endung erfüllt. Die ärmlichen acht Anrainerstaaten des Amazonas bringens nicht: Schlechtere Anwälte, weniger Dollars.

"Alexa, wo sind meine Unterhosen?" Ob der Voice Service von Amazon, der stimmgesteuerte Lautsprecher, nun weiß, wo die Slips liegen, kann egal sein. Nicht egal kann dem Konsumenten die Tatsache sein, dass der Netzhändler an der Unterwäsche seiner Kunden schnüffelt: Angeblich will "amazon" nur die Spracherkennung der Assistenzsoftware von Alexa verbessern. In Wahrheit sammelt die Krake aus Seattle private Daten der Nutzer, lässt sie von Mitarbeitern notieren. Wer glaubt, dass es sich bei der Schnüffelei um ein Versehen handelt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Offiziell traut sich der Datensammler zu behaupten: "Wir versehen nur eine sehr geringe Auswahl an Alexa-Sprachaufnahmen mit Kommentaren, um das Kundenerlebnis zu verbessern.". Was der Kunde erleben wird, das ist ein blaues Wunder: Seine unfreiwillig gelieferten Daten werden dem Käufer-Profiling dienen. Mehr Daten, mehr Verkaufen, mehr Macht ist das Ziel.

Man sollte meinen, mit einem Umsatz von 233 Mrd. US-Dollar müsste der Gierschlund "amazon" langsam ins Würgen kommen. Auch sein Inhaber Jeff Bezos sollte mit einem Vermögen von 72,8 Milliarden US-Dollar eigentlich den Hals voll kriegen. Weit gefehlt: Solche Profit-Maschinen können nur mehr, mehr und noch mehr fordern. Darin jenem politischen Gebilde ähnlich, das deren Macht militärisch durchsetzt: Dem Imperialismus. Auf der Bezos-Finanzebene hält man sich Regierungen. Doch der Amazon-Chef Jeff Bezos hatte sich sogar mal als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Online-Händler bessere Politik machen. Sie kümmern sich mehr", sagte der Republikaner-Kandidat Bezos damals. Zwar wurde es dann nix mit dem Amt, aber die Macht, die im Geld liegt, ist ihm geblieben: Diese läppischen Latino-Staaten, die ihm bei der Top-Level-Domain-Endung im Wege stehen, die legt er einfach juristisch um. Und auf die NSA muss ein Mann wie Bezos nicht warten: Er hat ja Alexa.

In einer Zeit, in der die Zahl antikapitalistischer Organisationen gering ist und deren Kraft noch geringer, bleibt denen da unten nur der Boykott. Gehen Sie selbst zum Buchladen, das ist gut für die Gesundheit. Denken Sie selbst darüber nach, wo Sie ihre Unterhosen gelassen haben. Das trainiert das Gehirn. Zwar ist damit allein der Imperialismus nicht zu bekämpfen. Aber eine seiner starken Stützen kann man treffen. Da wo es weh tut. Mit einem Tritt in Bezos edelstes Teil: Den Geldsack.

Abrüsten statt Aufrüsten!
Die Welt braucht Frieden statt Kriegsbündnisse

Ostermarsch 2019 in Berlin

Auftaktkundgebung: Samstag, 20. April 2019
13 Uhr, Rosa-Luxemburg-Platz
Dann Demo durch die Innenstadt
Zurück zur Abschlußkundgebung 
15 Uhr, Rosa-Luxemburg-Platz

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Alles fängt mal klein an. Aber abfangen muss man. Manchmal auch bei sich selbst und der Bequemlichkeit.

Vera Gschwendner
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Das ist die bisher beste Zusammenfassung über das Unwesen amazon! Die sind ja noch schlimme als ich dachte. Danke für die scharfe Analyse.

Peer Kleinert
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Leider ein Trugschluss: Boykott. Denn WO und über welche Wege Sie Ihre Artikel kaufen interessiert die überhaupt nicht.

In dem Moment, wo Sie glauben, daß Sie durch Ihr Kaufverhalten einen Einfluß ausüben, sind Sie dem Märchen von der sozialen...

Leider ein Trugschluss: Boykott. Denn WO und über welche Wege Sie Ihre Artikel kaufen interessiert die überhaupt nicht.

In dem Moment, wo Sie glauben, daß Sie durch Ihr Kaufverhalten einen Einfluß ausüben, sind Sie dem Märchen von der sozialen Marktwirtschaft auf den Leim gegangen!

Sie glauben das nicht? Sehen Sie, vielleicht habe Sie noch nie in Ihrem Leben Elfenbein gekauft -- Trotzdem werden Elefanten ausgerottet.

Vielleicht haben Sie auch noch nie im Leben eine Rauchschwalbe oder einen anderen Singvogel gegessen -- Trotzdem werden Singvögel fabrikmäßig gefangen und ausgerottet.

Vielleicht essen sie auch keine Margarine -- Trotzdem werden Wale gefangen.

Sehen Sie, solche Beispiele lassen sich beliebig fortführen!

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R. R
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Sehr gut wäre eine erfolgreiche antikapitalistische Revolution. Und was machen wir in der Zwischenzeit? An den Zehen spielen?

Uli Gellermann
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Rosa Luxemburg: "Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialistischen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist." Für...

Rosa Luxemburg: "Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialistischen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist." Für mich wäre wäre ein Amazon-Boykott Teil einer sozialen Reform. Natürlich kann man dabei nicht stehen bleiben. Aber besser als das Warten auf ein Wunder wäre es allemal.

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Lena Bergmann
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Jeff Bezos und Kollegen haben die vierte Säule des Geldmachens entdeckt. Nach Natur, Arbeit und Güteraustausch ist nun die Kreativität der Nutzerinnen und Nutzer an der Reihe. "In diesem Sinne definieren die Besitzer von Überwachungskapital eine...

Jeff Bezos und Kollegen haben die vierte Säule des Geldmachens entdeckt. Nach Natur, Arbeit und Güteraustausch ist nun die Kreativität der Nutzerinnen und Nutzer an der Reihe. "In diesem Sinne definieren die Besitzer von Überwachungskapital eine vierte fiktive Ware: Sie ist aus den Erfahrungswelten von Menschen zu gewinnen, deren Körper, Gedanken und Gefühle so jungfräulich sind, wie es die reich vorhandenen Wiesen und Wälder waren, bevor sie der Dynamik des Markts unterlagen", sagt Shoshana Zuboff, emeritierte Professorin an der Harvard Business School in der deutschen Januar-Ausgabe von Le Monde diplomatique.
Die Betreiber von GAFA (Google Amazon, Facebook und Apple) machen sich all das zunutze, was Werbung in den Massenmedien über Jahrzehnte vorbereitet hat: Den glücklichen Konsumsklaven zu erzeugen, der die Frage nach seiner persönlichen Freiheit gar nicht erst stellt.
Pulse of Europe tritt mit Postkarten zur Europawahl in die Öffentlichkeit, die als Impuls für ein breites Nachdenken über unsere Lebensweise dienen können: Freiheit wächst nicht auf Bäumen. Frieden ist kein Naturgesetz. Und: Zusammenhalt kann man nicht online kaufen. Da lässt sich doch was draus machen?!
Die Zeit des Großen Bruders neigt sich ihrem Ende zu. Geschwisterlichkeit hat längst angefangen, an seine Stelle zu treten. Gerade auch mit Hilfe des Netzes.

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Heinrich Triebstein
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Leider beklatscht „Pulse of Europe“ die Europäische Union, ein bürokratisches Gebilde zur Durchsetzung von Kapitalinteressen.

Uli Gellermann
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Das schwarze Loch Amazon boykottieren! Den Psychopathen Bezos. Mach ich eh schon - immer wenn möglich. Aber wie sieht es denn mit der Konzentration im Einzelhandel aus? Der größte Buchhändler bei uns hier gehört jetzt zu Thalia ? auch eine Krake.

...

Das schwarze Loch Amazon boykottieren! Den Psychopathen Bezos. Mach ich eh schon - immer wenn möglich. Aber wie sieht es denn mit der Konzentration im Einzelhandel aus? Der größte Buchhändler bei uns hier gehört jetzt zu Thalia ? auch eine Krake.

Bücher habe ich bei A. schon seit Ewigkeiten nicht mehr bestellt. Entweder bestelle ich bei der kleinen Buchhandlung im Ortsteil oder ich lade sie mir als iBook von der Krake A? :-/

Ist halt unterwegs viel praktischer.

Aber alles Andere, das man so braucht (oder will) ? man kommt angesichts der ausgedünnten Bestände im Einzelhandel um eine Bestellung oft nicht herum, obwohl ich, wann immer es mir sinnvoll erscheint, direkt im Einzelhandel bestelle. Die direkte Bestellung nach Hause bietet sich aber doch oft an. Dabei vermeide ich nach Möglichkeit A. und bestelle direkt in Fach-Shops, die es ja auch noch gibt.

Letztlich scheint mir der Erfolg von A. auf den immer prekärer werdenden Lebens-und Arbeitsverhältnissen der Menschen und auch deren zunehmender sozialer Vereinzelung zu beruhen.

Dabei erscheint mir diese ganze KI-Debatte um A. und G. reichlich ambitioniert, wenn ich mir das läppische Prinzip anschaue. Wer z.B. eine Bohrmaschine kauft erhält danach ständig Angebote für Bohrmaschinen (oder allenfalls Kreissägen ;-) - und das soll intelligent sein?

Der Werbeerfolg hängt doch offenbar sehr von den betrachtenden Menschen ab. Ich beachte Werbeangebote keinen Wimpernschlag lang, meine Bedürfnisse entstehen aus den Situationen meines Lebens. Aufdringliche Werbung wirkt ausschließlich abstoßend auf mich.

Dabei weiß man natürlich nie ganz sicher, ob man nicht doch schon angefixt ist. Fuck Bezos!

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Des Illusionierter
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Einfach alles mit .amazon auf die Ignore-Liste setzen ist doch eigentlich eine leichte Übung? Ich glaube allerdings, das Problem ist anders gelagert. Man denke über so was nach oder fange damit an:

- Internet benutzen, ohne Google was zu fragen
-...

Einfach alles mit .amazon auf die Ignore-Liste setzen ist doch eigentlich eine leichte Übung? Ich glaube allerdings, das Problem ist anders gelagert. Man denke über so was nach oder fange damit an:

- Internet benutzen, ohne Google was zu fragen
- Youtube aus den Gewohnheiten streichen
- Einkaufen ohne (Online-) Großhändler
- Kommunizieren ohne Facebook oder WhatsApp
- Computer ohne Microsoft oder Apple mit freier Software betreiben
- Nichts mit PayPal bezahlen
- Auf ein Smartphone komplett verzichten

Ach, das geht alles nicht? Dochdoch das geht, sogar sehr gut und noch mehr! Ein gutes Rezept ist die Konzentration auf das Wesentliche, das andere, sich ab und an zu fragen, ob "ohne" wirklich alles schlechter ist.

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Andreas Schell
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Ich habe noch nie bei Amazon gekauft und ich werde es auch nicht tun. Aber es verwundert mich schon, dass auch viele kritische, linke Menschen keine Probleme haben, bei dieser Krake zu kaufen.
Der alte Marx hat eine passendes Zitat für Amazon und...

Ich habe noch nie bei Amazon gekauft und ich werde es auch nicht tun. Aber es verwundert mich schon, dass auch viele kritische, linke Menschen keine Probleme haben, bei dieser Krake zu kaufen.
Der alte Marx hat eine passendes Zitat für Amazon und die anderen Riesen gefunden: "Das Kapital hat einen horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinen Profit - Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv, waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.« (MEW 23: 788, Fn 250)

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Christel Buchinger
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Recht hast Du, lieber Uli! Viel Spaß auf dem Ostermarsch, das dient dann ja zumindest der Ertüchtigung...

Dr. Lore Kleinert
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Lieber Uli,
dass Zitat, dass Frau Buchinger als von Karl Marx zitiert stimmt so nicht:
Es ist von einem englischen Gewerkschafter, dessen Name mir entfallen ist und Marx hat ihn zitiert.

Ulrike Spurgat
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